An der IT fasziniert mich vor allem die Geschwindigkeit. Man kann Neues einfach mal ausprobieren, Ideen wieder verwerfen und etwas Anderes entwickeln.
Martina Freers Principal Consultant, Geschäftsleiterin
Martina Freers
Bei INNOQ seit 2018.
Tätig als Principal Consultant, Geschäftsleiterin.
Martina lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Berlin. Nach ihrem BWL-Studium kam sie durch ihren ersten Job als Projektmanagerin in die IT-Branche. Inzwischen ist sie Principal Consultant bei INNOQ und kümmert sich v.a. um Themen wie Prozesse, Teambuilding und Agilität. Zuvor hat sie 10 Jahre in Argentinien gelebt und gearbeitet, zuletzt als Geschäftsführerin eines IT-Start-ups.
Martina ist der festen Überzeugung, dass man einfach mal den ersten Schritt gehen sollte. Denn dann passieren die richtigen Dinge und es bewegt sich was. Auf ihren Karriereweg trifft das ganz sicher zu. Mit dem Mut, Neues und Unbekanntes auszuprobieren, kam sie nach dem Studium in eine Branche, mit der sie bis dato kaum Berührungspunkte hatte: Sie nahm einen Job in einer IT-Agentur an.
Studiert hatte sie BWL mit den Schwerpunkten „Internationales Management“ und „Marketingkommunikation“, ihre Praxissemester absolvierte sie im klassischen Produktmarketing. Nun beschäftigte sie sich als Projektmanagerin – und später als Consultant – mit der Konzeption von E-Mail-Marketingmaßnahmen und CRM-Systemen. Dort begeisterte sie sich schnell für die technologischen Möglichkeiten: wie schnell und einfach man Dinge ausprobieren und verändern kann, weil der Kostendruck geringer und die Entwicklungszeiten kürzer sind.
Für einen neugierigen und Abwechslung liebenden Menschen wie Martina war der Job zunächst perfekt: neue Kund:innen aus verschiedenen Branchen, neue Projekte, neue Technologien. Das bedeutete viel Spaß, aber auch viele Überstunden.
Für Privatleben blieb immer weniger Zeit. Irgendwann sei dann die „Waagschale gekippt“, wie sie es formuliert. Mit 28 entschied sie sich für einen radikalen Schnitt, kündigte den Job ohne einen Plan B. Es war wieder an der Zeit, mutig etwas Neues auszuprobieren.
Südamerika fand ich immer faszinierend. Also beschloss ich: Ich mach das erst mal.
Aus einer launigen Idee, die im Freundeskreis entstand, machte Martina schließlich ernst. Sie entschloss sich dazu, einen Freiwilligendienst in Südamerika zu absolvieren, wo sie schon während ihres Studiums als Backpackerin mehrfach umhergereist war. Schließlich wurde sie an eine katholische Agrarschule in einem kleinen argentinischen Dorf vermittelt. Dort bekommen die Kinder vormittags eine schulische und nachmittags eine berufliche Ausbildung. Martina arbeitete dort als Englischlehrerin gegen Kost und Logis bei einer älteren Dame aus dem Dorf. Das Problem war nur, dass im Dorf niemand Englisch und sie kaum Spanisch sprach. Um sich also verständigen zu können, war sie gezwungen, schnell Spanisch zu lernen. Das war mental sehr anstrengend, berichtet Martina, aber eben auch gewinnbringend, weil sie so schnell in die neue Sprache hinein fand.
Als nach sechs Monaten ihr Engagement an der Schule vorbei war, war Martina noch nicht bereit zurück nach Deutschland zu gehen. Ihr WG-Zimmer dort war noch weitervermietet und sie fühlte sich wohl in Argentinien. Auch von ihren Ersparnissen war noch etwas übrig. So nutzte sie die Chance, für einige Wochen das Land zu bereisen. Als das Geld schließlich knapp wurde, kam ihr ihr gutes Netzwerk zu Hilfe. Ein Freund aus Deutschland vermittelte sie an einen Bekannten, der gerade ein Start-up in Buenos Aires gegründet hatte und Unterstützung im Marketing brauchte. So schloss sie mit ihrem neuen Chef einen Handschlag-Deal: Solange das Start-up gut lief und er sie bezahlen konnte, würde sie für ihn arbeiten. Doch nach drei Monaten war überraschend von einem Tag auf den anderen Schluss. Glücklicherweise bot sich im gleichen Büro, in dem sie bis dato gearbeitet hatte, eine neue Gelegenheit: Der amerikanische Hauptmieter der Bürofläche bot ihr einen Job an. Chad, ihr neuer Chef, war Entwickler und hatte ebenfalls ein Start-up gegründet – für Web Apps, Native iOS und Android Apps. Zunächst für zwei Tage in der Woche konnte sie für ihn als Projektmanagerin arbeiten. Inhaltlich hatte sie also einen ganz ähnlichen Job wie zuvor in der Agentur in Deutschland – nur wesentlich entspannter. Für Martina war es das wichtigste, dass sie sich noch länger ihren Aufenthalt in Buenos Aires finanzieren konnte.
Doch nach und nach wurde das Unternehmen immer größer. Über Kontakte durch seinen früheren Job bei Microsoft konnte Chad das Geschäft ausbauen und sie bekamen unter anderem Aufträge von Musiksendern. Als Experten für die Programmiersprache Erlang entwickelten sie Second Screen Apps, die Tweets zu Live-Übertragungen und TV-Sendungen kuratiert anzeigten und Interaktionen mit diesen über die Apps ermöglichten. Zunächst arbeiteten sie vor allem mit Freelancer:innen zusammen. Doch in Argentinien ist das Freelance-Modell anders organisiert als in Deutschland, oft ohne feste Verträge und deshalb deutlich instabiler, weiß Martina. Um also alle Aufträge zuverlässig bewältigen zu können, beschloss ihr Chef, eine richtige Firma mit Festangestellten zu gründen. So übernahm Martina wieder deutlich mehr Verantwortung und sie stieg fest bei dem Unternehmen ein.
Das Letzte, das dich die Leute in Argentinien fragen, ist: Was machst du beruflich.
Laut Martina hat Arbeit in Argentinien einen anderen Stellenwert als in Deutschland. Man definiert sich kaum über seinen Beruf. Familie und der Freundeskreis sind viel wichtiger. Das läge auch an der unsicheren wirtschaftlichen Situation. Nur wenige könnten frei entscheiden, was sie studieren oder womit sie ihr Geld verdienen wollen. Arbeit sei oft Mittel zum Zweck. Auch Leistung würde nicht immer belohnt, die berufliche Weiterentwicklung hängt oft von Beziehungen ab.
Daher kam der gemeinsame Beschluss, im neuen Unternehmen besonders viel Wert auf die Firmenkultur zu legen. Vor allem förderten sie eine Kultur des Vertrauens. Alle sollten sich auf Gesagtes verlassen können, ein offener und ehrlicher Umgang untereinander wurde gepflegt, Entscheidungen transparent gemacht. Wissen aufzubauen und untereinander zu teilen, war explizit gewünscht. Über Open-Source-Projekte und Blogs entstand eine lebendige Sharing Culture. Dazu zählte auch, den Mitarbeitenden mehr Freiheiten zu geben. Schon damals ermöglichten sie die Arbeit im Home-Office oder die Teilnahme an Konferenzen in den USA. Alle konnten sich die Rechner aussuchen. Auch Macs, die damals in Argentinien streng limitiert waren. Jeder Flug in die USA wurde genutzt, um einen neuen Mac mitzubringen. Alle sollten sich wohlfühlen. Dafür wurden schicke Büroräume bezogen, es gab eine große Auswahl kostenloser Getränke, freitags kam eine Köchin und alle haben zusammen gegessen. Alles keine Selbstverständlichkeit in argentinischen Firmen. Doch es machte sich mit Zuverlässigkeit und einer geringen Fluktuation bezahlt.
Als Geschäftsführerin konnte ich selten komplett abschalten.
In der Zwischenzeit hatte Martina ihren jetzigen Mann kennengelernt und eine Familie gegründet. Während ihrer ersten Schwangerschaft wurde sie Geschäftsführerin. Ihr Chef war zurück in die USA gegangen und sie sollte sich um die operativen Geschäfte kümmern. An eine längere Elternzeit war also nicht zu denken. Auch weil man sich das in Argentinien finanziell kaum leisten kann, es gibt kein Elterngeld und kaum Extra-Urlaub. Zudem verdiente sie deutlich mehr als ihr Mann. Also entschlossen sie sich zu einem Familienmodell, das in Argentinien sehr ungewöhnlich ist: Sie kehrte nach dreieinhalb Monaten ins Büro zurück und ihr Mann blieb mit dem Baby zu Hause. Eine anstrengende Zeit begann: ein Säugling, der noch gestillt werden wollte und gleichzeitig mehr Finanz- und Personalverantwortung im Beruf.
Als sich zwei Jahre später das zweite Kind ankündigte, wuchs der Wunsch, nach Deutschland zurückzukehren. Die Firma hatte in der Zwischenzeit neue Eigentümer, für die der finanzielle Erfolg wichtiger als eine gute Kultur war. Später wurde die Firma sogar ganz aufgelöst. Martina hatte zu diesem Zeitpunkt bereits gekündigt. Aber auch die allgemeine wirtschaftliche Situation in Argentinien wurde immer schwieriger. Gute Schulen sind sehr teuer. So beschleunigte die bevorstehende Einschulung des Sohnes den Entschluss zu einem neuen mutigen Schritt. Nach der Geburt der kleinen Tochter zog die Familie von Buenos Aires nach Berlin. Die Entscheidung für die Stadt war einfach: Martinas Bruder wohnt in Berlin, es gibt eine große spanisch sprechende Gemeinde und bilinguale Kitas und Schulen.
Mein Job ändert sich permanent, weil jeder Kunde, jedes Projekt anders ist. Das ist das, was mir Spaß macht.
Martinas erster Plan war, in Deutschland einen Gang zurückzuschalten. Nach den letzten Monaten mit der Umzugsplanung und der Auflösung der Firma brauchte sie dringend eine Pause. Sie wollte sich erst um einen neuen Job kümmern, wenn auch die kleine Tochter einen Kitaplatz hatte. Doch dann ging alles schneller als sie dachte. Ein gut verdrahteter, ehemaliger Kollege und CTO aus England machte Martina auf INNOQ aufmerksam. Die Infos auf der Website, die Podcasts, auch über Vereinbarkeit von Beruf und Familie, überzeugten Martina davon, sich zu bewerben. Er stellte den Kontakt her, und nur wenige Wochen und zwei Gespräche später hatte sie ein Jobangebot als Senior Consultant.
Da Martina zwar sehr viel Erfahrung im IT-Bereich hatte, aber selbst keine Entwicklerin ist, startete sie zunächst als Scrum Masterin auf einem Projekt. Sie baute ein Team auf, kümmerte sich um Projektmanagement und darum, dass die Teams arbeiten konnten und vorankamen. Eigentlich arbeitet sie bei INNOQ ähnlich wie zuvor in Buenos Aires – eigenverantwortlich und mit großem Entscheidungsspielraum. Auch der Wechsel von der Geschäftsführung zurück in ein Angestelltenverhältnis war keine große Umstellung. Im Gegenteil sogar gewollt. In Martinas Augen ist INNOQ zudem keine typisch deutsche Firma. Die Unternehmenskultur entspricht ihrer Art zu arbeiten. Auch wenn es durchaus Unterschiede zwischen dem Arbeiten in Deutschland und in Argentinien gibt – und auch so manches Klischee ihrer Meinung nach der Wahrheit entspricht. Zum Beispiel hätten viele Deutsche gerne eine hundertprozentige Planbarkeit. Früher hätte auch sie manches deutlich mehr aufgeregt. Doch mit ihrem Erfahrungsschatz aus der Zeit in Buenos Aires lässt sie sich von Veränderungen und Überraschungen kaum mehr aus der Ruhe bringen.
Diese Gelassenheit gepaart mit ihrer Kommunikationsfreude kommt ihr in ihrer heutigen Rolle sehr entgegen. Als Principal Consultant, einer Mischung aus Senior Consultant, Key Account Managerin und Vertrieblerin, trägt sie Projektverantwortung, übernimmt die Kundenverantwortung und generiert Neugeschäft. Sie hält in den Projekten die Fäden zusammen, vermittelt zwischen Kund:innen und Consultants und ist als Sparringspartnerin für die Kolleg:innen und Kunden da. Martina ist aber auch noch selbst als Beraterin aktiv. Ihre Schwerpunkte sind Prozesse, Teambuilding, Ziele, organisatorische Fragestellungen und Agilität.
Wenn ich mal früher weg muss, dann muss ich niemanden fragen, dann organisiere ich mich einfach.
Als Mutter von zwei kleinen Kindern und einem Vollzeitjob kann sie ihr Organisationstalent gut gebrauchen. Ihr Mann arbeitet zwar halbtags, dennoch brauchen auch manche private Termine ihre volle Aufmerksamkeit. So gibt es gelegentlich noch sprachliche Barrieren für ihren Mann, der gerade Deutsch lernt, und manchmal möchte sie einfach gerne mehr Zeit mit den Kindern verbringen. Deshalb genießt es Martina sehr, dass sie sich ihren Arbeitstag größtenteils frei einteilen und Termine passend koordinieren kann. Ab und zu fehle ihr die Zeit, sich weiterzubilden oder über den Tellerrand zu schauen, räumt Martina ein. Doch für sie ist klar: Kompetenz und Leistungsfähigkeit hängen nicht von festen Arbeitszeiten ab. Auch wenn Martina von vielen Freund:innen weiß, dass eine hohe Flexibilität im Berufsalltag nicht selbstverständlich ist.
Sicher gibt es einiges, dass Martina an Argentinien vermisst, die Familie, alte Freunde und die lockerere Lebensart. Dafür hat ihr Leben in Berlin viele neue Vorteile. Ausflüge in die Umgebung, mit dem Fahrrad zum nächsten Badesee oder ungezwungen spielen auf großen Spielplätzen in öffentlichen Parks – das sind Möglichkeiten, die es in Buenos Aires so nicht gab. Zusammen verbringen sie außerdem viel Zeit mit befreundeten Familien. Sie und ihr Mann haben sich damals bei einem Konzert kennengelernt, noch heute hören sie gerne Live-Musik oder gehen zusammen tanzen. Jetzt, da die Kinder etwas größer sind, genießt Martina es auch, wieder mehr zum Lesen zu kommen.
Auf die Frage, ob sie aus heutiger Sicht etwas anders machen würde, antwortet sie mit einem überzeugten „Nein“. Für Martina sind nach jedem neuen Schritt die richtigen Dinge passiert. Ihren Drang, neue, spannende Dinge kennenzulernen, kann sie heute in ihrem Beruf ausleben. Und wenn die Kinder größer sind, wird die Familie sicher wieder größere Reisen unternehmen. Hauptsache, es wird nicht langweilig.