Ich will keine Exotin in einem Unternehmen sein, das Diversität nur als Marketinginstrument begreift. Bei INNOQ bin ich einfach eine normale Kollegin.
Dr. Larysa Visengeriyeva Head of Data and AI
Dr. Larysa Visengeriyeva
Bei INNOQ seit 2020.
Tätig als Head of Data and AI.
Larysa lebt mit ihrer Familie in Berlin. Die gebürtige Ukrainerin hat im Bereich Augmented Data Quality an der TU Berlin promoviert. Bei INNOQ beschäftigt sie sich u.a. mit der Operationalisierung von Machine Learning (MLOps) und Daten-Architekturen. Privat begeistert sich Larysa für Triathlon.
Warum sich so wenige Frauen und Mädchen für IT interessieren, ist für Larysa nicht nachvollziehbar. Für sie ist Informatik, Programmierung, Software-Architektur und Design ein kreativer Prozess. Zu Schulzeiten, behauptet sie, hätte sie sich aus Faulheit für Informatik begeistert. Die Möglichkeit, durch das Programmieren viel Zeit zu sparen, hat sie fasziniert. Doch wenn man ihre Geschichte hört und man sie im Alltag erlebt, wird schnell klar, dass ihr dieser Beruf deutlich mehr bedeutet.
Larysa hat früh verstanden: Wenn sie als Frau selbstbestimmt leben möchte, dann sind eine gute Ausbildung und finanzielle Unabhängigkeit essenziell. Sie sei aber, so erzählt sie, in einem Kulturkreis aufgewachsen, in dem es für Frauen eher üblich war, zu Hause bei der Familie zu bleiben. Sie hat sich gegen die Norm entschieden und Informatik auf Lehramt in der Ukraine studiert. Mit 20 ergreift sie die Möglichkeit, für ein Aufbaustudium nach Deutschland zu gehen. Wie sie sagt, eine intuitive Entscheidung. Da war zum einen immer die Liebe zur deutschen Sprache und ihrer Melodie. Aber selbstverständlich auch die Möglichkeit, als Frau unabhängiger zu sein und mehr berufliche Chancen zu haben. Diese große Motivation hilft ihr, um in einem fremden Land und einem anspruchsvollen Studium neu zu beginnen. Denn sie kommt nach Deutschland, ohne gut Deutsch zu sprechen und sie hat nur zehn Monate Zeit, die Aufnahmeprüfung an der Uni zu bestehen.
Ihr Interesse an der Softwareentwicklung führt dazu, dass sie sich in Deutschland nochmals umorientiert und Informatik als technische Disziplin studiert. Auch wenn sie gerne lehrt und auch die beruflichen Chancen als Lehrerin sehr gut sind in Deutschland, reizen sie die Themen Softwareentwicklung und -architektur einfach mehr. Außerdem entsteht so für Larysa eine Traumkombination: ein Beruf, der sie erfüllt und gleichzeitig finanzielle Unabhängigkeit ermöglicht.
Meine Unabhängigkeit war schon immer ein wesentlicher Motivator für alles, was ich tue.
Wenn ich eine halbe Stunde mit einem jungen Mädchen spreche und ich sie motivieren kann, ein unabhängiges Leben zu führen. Das ist eine Erfüllung, die ich kaum in Worte fassen kann.
Dass der Frauenanteil in der IT auch heute noch so gering ist, erklärt sie mit bestehenden Stereotypen, Klischees und Vorurteilen. Umso wichtiger seien für Mädchen Vorbilder und Mentor:innen. Menschen, die sie bestärken und ihnen das gleiche technische Verständnis zutrauen wie Jungs. So teilt sie auch selbst gerne ihre eigene Erfahrung mit Mädchen und Frauen und gibt ihnen wertvolle Tipps. Oft entstehen diese internationalen Kontakte über die Väter, die nach Role Models für ihre Töchter suchen. Doch wichtig ist ihr, die jungen Frauen zu motivieren, das Richtige für sich selbst zu finden. Damit sie ein erfülltes und unabhängiges Leben führen können. Wenn das dazu führt, dass noch mehr Frauen in die IT kommen, ist das ein positiver Nebeneffekt. Denn Larysa ist der festen Überzeugung: Diversität ist letztendlich eine Frage der Gerechtigkeit.
Nach dem Abschluss ihres Studiums arbeitet sie vier Jahre in der Industrie als Backend-Entwicklerin, auch in dem Bereich Datenbanken und Datenmanagement für Persistenzschichten-Entwicklung. Um sich mehr Karrierechancen zu eröffnen, beginnt sie nach der Geburt ihres ersten Kindes zu promovieren. Im Doktortitel sieht sie die Möglichkeit, dass ihre Kompetenz als Frau nicht mehr infrage gestellt wird. Doch im Laufe der Promotion wandelt sich ihre eher karrieregetriebene Motivation. Heute weiß sie, der unbedingte Wille, die Karriereleiter nach oben zu steigen, wurde ihr mehrheitlich von außen suggeriert. Denn während der fordernden Arbeit an der Promotion ist da immer diese Frage: Wofür mache ich das?
Es war nicht so, dass ich den Doktortitel wollte, des Doktortitels wegen, sondern weil ich verstanden habe: Okay, da sind Probleme und die will ich lösen.
Die Lösung für Larysa: sie will Wissen aufbauen, sich um dringliche Probleme kümmern. So wechselt sie das Thema der Doktorarbeit: von einem Natural Language Processing-Thema zu Data Cleaning bzw. Data Quality Management. Denn ein Problem, welches Larysa immer wieder begegnet, ist die zeitintensive Bereinigung von Daten.
Auf der einen Seite entstehen immer mehr Daten, auf der anderen muss eine bestimmte Datenqualität erreicht werden. Während ihrer Arbeit an dieser multidimensionalen Aufgabe kommt sie mit Machine Learning in Berührung. Ein Thema, mit dem sie sich heute auch bei INNOQ intensiv beschäftigt. Und wie sie selbst sagt, ein weiterer Wissens-Ast an ihrem „Expertisenbaum“.
Als Frau hat man ein anderes Koordinatensystem.
Nach sieben Jahren im akademischen Betrieb an der TU Berlin ist Larysas Wunsch groß, sich wieder intensiver um Software Engineering zu kümmern. Ein zusätzlicher Antrieb ist, die starren hierarchischen Strukturen zu verlassen. Raus aus einem System, in dem man immer an anderen gemessen wird. Denn wenn man wie sie damals mit zwei Kindern promoviert, ist es schwer, sich zu vergleichen. Man braucht dafür einfach länger, das akademische Alter einer Mutter ist entsprechend höher. Als Frau hatte sie ein anderes Koordinatensystem.
Nach all diesen Erfahrungen spielt bei ihrem Rückgang in die freie Wirtschaft das Thema Diversität eine bedeutende Rolle. Ihre Zukunft sieht sie in einem IT-Unternehmen, in dem Chancengleichheit nicht nur ein Marketing-Instrument ist, sondern wirklich gelebt wird. In dem man als Frau keine Exotin ist, sondern eine ganz normale Kollegin. Zu diesem Zeitpunkt kennt sie INNOQ vor allem von außen aus Fachartikeln und Blogbeiträgen oder von Konferenz-Vorträgen.
Einen ersten Blick hinter die Kulissen kann sie 2016 werfen. Sie wird als Scala-Coach zu einem ScalaBridge-Workshop eingeladen. Der kostenlose Workshop richtet sich primär an Frauen und an andere in der IT unterrepräsentierte Gruppen und vermittelt Basiswissen über funktionale Programmierung in der Programmiersprache Scala.
Im Rahmen des Workshops trifft sie auf ihren heutigen Kollegen Daniel Westheide. „In Vorbereitung auf den ScalaBridge-Workshop habe ich INNOQ besucht und mich mit Daniel und anderen INNOQ Kolleg:innen ausgetauscht. Mein Eindruck war: Das sind nicht nur kompetente Leute, sondern das sind wirklich tolle Menschen. Menschen, mit denen man gerne zusammenarbeitet“, so Larysa.
Kompromisslose Kompetenz und Diversität.
Nach ihrer Promotion 2019 nimmt sie deshalb direkt Kontakt zu INNOQ auf. Sie erinnert sich an ihr erstes Treffen und inoffizielles Vorstellungsgespräch mit Stefan Tilkov bei der GOTO Konferenz 2019: „Seine erste Frage war: Erzähl, Larysa, was willst Du denn machen? Das war für mich ein ziemlicher Aha-Effekt, denn normalerweise ist es andersherum. Da sucht ein Unternehmen Leute für die eigenen Pläne.“ Seit ihrer Anstellung bei INNOQ verfolgt sie deshalb dort erfolgreich und eigenverantwortlich die Projekte weiter, für die sie brennt: Software Engineering für Machine Learning oder ml-ops.org – eine Website, die sie ursprünglich als Microsite für sich selbst gestartet hat, um ihr Wissen zu dem Thema Machine Learning Operations zu sammeln.
Inzwischen hat die Seite viele Fans und wird von mehreren Kolleg:innen befüllt. Als Senior Consultant arbeitet sie an Kundenprojekten, beispielsweise als Data Scientist oder Data Engineer, gibt ihr breites Wissen aber auch gerne weiter – in Publikationen, auf Konferenzen, in Workshops beispielsweise zu Domain-driven Design oder Machine Learning Use-Cases oder bei der Betreuung studentischer Mitarbeiter:innen.
Wenn ich meine Kinder zum Sport bringe, mache ich auch Sport. Das macht mich glücklich.
Doch Larysa setzt sich nicht nur ausdauernd für ihre beruflichen Themen ein. Ein Ausgleich zum Vollzeitjob ist Triathlon: Laufen, Radfahren, Schwimmen und Krafttraining. Auch für Larysa ist es eine Herausforderung, Beruf, Sport und Familie unter einen Hut zu bringen. Immerhin leben zwei ihrer vier Kinder noch zuhause und sind im Schulalter. Ein großer Vorteil ist sicher, dass die ganze Familie ihre Sportbegeisterung teilt. So nimmt sie sich – als großer Fan von Synergien – vor allem dann Zeit für das Training, wenn auch ihre Kinder Sport machen.
Ein weiterer Faktor sind die flexiblen Arbeitszeiten. Selbstverständlich gibt es auch bei INNOQ feste Timings. Doch es ist sicher kein klassischer nine-to-five Job. In Abstimmung mit dem Team kann man sich die Zeit frei einteilen und so Vollzeitjob und Familienzeit miteinander vereinbaren. Für Larysa lässt sich ihr Interesse für Software Engineering sowieso kaum in festen Arbeitszeiten messen. Sie liest auch privat Fachliteratur oder nimmt sich am Wochenende Zeit, um Workshops vorzubereiten. Der Unterschied sei, sagt sie, ob man etwas gerne tut oder nicht. Dann lassen sich „Work“ und „Life“ nicht wirklich trennen, weil sie sowieso in Balance sind.