Podcast

Unternehmen verbessern

Heute gibt es Fisch

INNOQ wächst und verändert sich. Ein guter Zeitpunkt, sich selbst zu reflektieren und herauszufinden, was wir organisatorisch besser machen können. Doch wie genau funktioniert das eigentlich mit der Selbstreflexion? Um diese Frage zu beantworten, hat sich Lucas diesmal Hermann ins virtuelle Studio geholt. Gemeinsam sprechen sie über Methoden wie Design Thinking und Brainwriting, warum sich der Mut zur Masse lohnt und was das alles mit Fischen zu tun hat.
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Lucas Dohmen:

Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge des INNOQ Podcasts! Heute habe ich mir den Hermann eingeladen. Hallo Hermann!

Hermann Schmidt:

Servus Lucas!

Lucas:

Wir haben uns heute das Thema ausgesucht: Wie kann man eigentlich ein Unternehmen verbessern? Und das wird uns auch nochmal in die ein oder andere Richtung bringen. Wir werden sehen. Der Hermann ist Senior Consultant bei INNOQ und was genau er bei INNOQ macht, ich glaube das wird heute auch noch mit ein Thema sein. Also schauen wir mal wo uns die Reise hinführt. Aber bevor wir damit loslegen, warum hat dich das Thema wie man Unternehmen verbessert überhaupt beschäftigt?

Hermann:

Ich würde sagen, das ist mir so in den Schoß gefallen. Weil ich habe mich schon seit zwei Jahren mit dem Thema Innovation und Fazilitation beschäftigt. Und auch so Seminare besucht, die nannten sich dann Innovation Professional oder so. Und da lernst du halt nicht nur fokussiert auf Innovation, sondern überhaupt wie du ganz anders Probleme löst. Und speziell, mein Coach ist sehr vom Design Thinking inspiriert und ich habe halt immer getrommelt Facilitation und dann ist halt einmal der Chef gekommen und hat gesagt: Willst du nicht dieses Thema facilitaten? Wie sagt man das eigentlich auf Deutsch, facilitaten? Der Begriff ist im Deutschen noch nicht richtig angekommen, ich tue mich sehr schwer… Ich glaube ich bleibe beim Englischen. Und da sage ich: Ja, gute Chance! Kann ich mich ja mal ausprobieren. Ist natürlich die größte Nummer, die man überhaupt machen kann, die interne Organisation untersuchen. Das hätte ich jetzt gerne eine Nummer kleiner gehabt, aber Chancen muss man nehmen, wenn sie sich bieten. Und ja, ich fand es einfach spannend.

Lucas:

Ja, cool!

Hermann:

Ja, wir haben ja letztes Jahr schon das Projekt gemacht, dass wir schon kleinere Workshops, also kleinere Facilitation Shops gehabt und leider hat die Pandemie das dann zerstört das Vorhaben. Und dann haben wir einfach nochmal angefangen und diesmal war ich von Anfang an dabei und konnte mir da ganz neue Verfahren ausdenken und einbringen.

Lucas:

Sehr cool! Das heißt also INNOQ beschäftigt sich aktuell so ein bisschen mit sich selbst, versucht so ein bisschen besser zu werden, mit seinem eigenen Wachstum klarzukommen. Und ja, du versuchst das zu fazilitieren oder wie auch immer wir dieses Wort übersetzen wollen.

Hermann:

Fazinolern.

Lucas:

Du hast jetzt eben schon einen Begriff gesagt: Design Thinking. Was genau ist das denn? Und welche Rolle spielt das in so einem Prozess?

Hermann:

Gut, Design Thinking ist… ja, jetzt kann man wieder ein paar Buzzwords raushauen, ein Prozess will ich nicht sagen, es ist mehr… ja, das nächste Buzzword ist Mindset. Hilft uns auch nicht. Aber beim Design Thinking geht es so, der große Unterschied des Design Thinking ist, dass es eben Partiegetrieben ist würde ich sagen. Also was man am Anfang immer macht ist rauszugehen, Leute beobachten. Genau beobachten und sich in deren Jobs, ja sagen wir ruhig Jobs, hineinzuversetzen und daraus zu lernen was sie denn eigentlich für Probleme… Also Pains, das sind so Begriffe, die da öfters rumgeistern. Was sie für Pains haben und auch was sie für Wünsche haben in ihren Jobs und da, das passt bei uns ja auch ganz gut. Was man beim Design Thinking danach macht ist halt, man sammelt einfach viel Material und dann kommt man in die Synthesephase und sagt dann: Okay, was steckt denn da jetzt eigentlich dahinter? Was können wir jetzt hier rausziehen mit was wir uns beschäftigen wollen, was den Leuten am besten hilft? Und dann kommt eben das Prototyping. Design Thinking kommt ja mehr so aus dem klassischen Design, wo du Dinge konstruierts und Dinge erfindest mit denen Leute halt etwas tun. Also irgendwelche Haushaltgegenstände oder alles Mögliche. Nicht so sehr in der IT, also wir in der IT haben ja unsere anderen Lieblingsprozesse. Design Thinking in der IT, ich würde sagen ist… überlappt sich, weil auch wir sagen: Wir müssen unsere User beobachten. Das sagen wir ja schon länger. Machen wir das wirklich? Hm, manchmal auch nicht. Wir haben da so unsere eigenen Verfahren, aber Design Thinking sagt halt: Wir gehen nicht mit einer festen Struktur rein, sondern wir sammeln erstmal, ich nenne Evidence, ich glaube das ist im Design Thinking nicht unbedingt das Wort, aber ich finde den Begriff sehr griffig. Sammeln wir erstmal viel Material, so viel wir können und dann schauen wir was da drinsteckt. Und das ist halt ganz was anderes.

Lucas:

Okay, also du hast jetzt eben schon so das Wort Jobs gesagt. Ist denn mit Job sowas gemeint wie Senior Consultant? Oder was ist ein Job?

Hermann:

Ne! Nein, nein. Gute Frage! Ne, Jobs sind einfach Aufgaben, Tätigkeiten. Die Tätigkeit, die jemand tut.

Lucas:

Okay, für das Unternehmen in verschiedener Art.

Hermann:

Oder halt was zu der täglichen Arbeit. Also bei uns ist jetzt halt, was tun wir in INNOQ eigentlich die ganze Zeit? Miteinander, was tun wir miteinander? Was tun wir in Projekten? Was tun wir eigentlich? Und das ist ein guter Aufhänger, wenn man die Leute fragt: Was tut ihr eigentlich den ganzen Tag? Dann denkt man mal darüber nach: Ja, was tue ich denn den ganzen Tag eigentlich? Und bei der Gelegenheit fällt mir eben ein: Ja, genau. Das ist doch eigentlich ziemlich doof, was wir machen und das finde ich gut. Man muss ja nicht immer nur nach den Fehlern suchen. Und dann, das ist ein guter Aufhänger einfach, dass du über dich selbst reflektierst: Was tue ich eigentlich hier? Und dann… So einfach das klingt, aber daran entwickelt sich, daran kannst du allen möglichen Sachen anhängen. Und das gelingt uns… ist auch gut gelungen!

Lucas:

Ja, ich glaube das ist sowieso was, dass wir selten reflektieren. Also ich meine bei so Prozessen wie Scrum ist ja eigentlich fest eingebaut eine Reflektion, auch über die Arbeitsweise, über die Zusammenarbeit zu haben und das ist ja doch trotzdem etwas, was so im Alltag oft doch eher untergeht. Also es fällt uns glaube ich schwer zu reflektieren, aber das ist doch immer überraschend hilfreich das zu tun.

Hermann:

Ja, vor allem wenn man das systematisch macht oder einfach auch sich eine Technik angewöhnt, wie man das tut. Gut, das war jetzt… Ja, ich denke das Projekt wirft verschiedene Dinge ab, die uns helfen, auch nebenbei für andere Geschichten rein von der Methodik her. Ja, reflektieren ist total wichtig! Aber die Leute wissen da halt oft nicht wie, es ist bei uns auch nicht viel anders. Also oft fällt uns nichts Besseres ein, als dann einfach zu diskutieren. Dann wird halt diskutiert und die lautesten reden dann die ganze Zeit. Das ist eigentlich überall so und dann, was bleibt zum Schluss übrig? Was bleibt denn als Evidenz von dieser Diskussion? Leute haben miteinander geredet, wenn keiner Protokoll schreibt… Hoppla! Wenn keiner Protokoll geschrieben hat, dann ist das das gewesen und dann ist es in den Köpfen drin und wird nie wieder irgendwo verwendet, das Ergebnis von dieser Diskussion. Und das ist eben das Problem, dass uns die Methoden da teilweise auch fehlen.

Lucas:

Okay. Ja, dann lass uns doch mal direkt in diese Methoden einsteigen. Wie kriegt man das denn hin, dass man irgendetwas hat, was man nachher nachverfolgen kann? Was man vielleicht auch wieder komprimieren kann auf etwas brauchbares?

Hermann:

Die kurze Antwort: Miro Board. Zettel sammeln. Weil diese Design Thinking ist die totale Sticky Notes, ist das totale Sticky Notes Massaker. Also die arbeiten wahnsinnig viel mit Sticky Notes. Also bei IDEO, wie die heißen oder bei Stanford, die auch so Kurse dafür anbieten, die… da hagelt es Sticky Notes. Das ist deren Format, weil das einfach total flexibel ist. Da schreibt keiner Protokoll, also das gibt es da nicht.

Lucas:

Und das heißt, die Corona Version davon ist die digitalen Sticky Notes in Miro an die Wand zu kleben. Und das heißt also, jeder schreibt einfach auf Keynotes seine Jobs Pains und Gains auf? Oder wie funktioniert das?

Hermann:

Ja, Pains und Gains ist die Gliederung. Das wiederum kommt aus der Value Proposition Canvas von Strategyzer, also Alex Osterwald und Yves Pigneur, haben halt das Buch geschrieben. Die sind auch Design Thinking inspiriert, ganz deutlich. Also das tut sich ja gegenseitig befruchten, das ist ja klar. Und die sagen halt auch, wenn du ein Produkt entwickelst, musst du erstmal dein Publikum verstehen. Also deine User oder deine Kunden. Und dazu machst du die Proposition Canvas und der rechte Teil davon ist eben festzustellen, was haben die Leute denn für Jobs? Was haben sie für Pains und was haben sie für Gains? Und wenn man drüber nachdenkt, was wir hier tun, wir suchen ja für uns selbst Produkte eigentlich. Also wir wollen ja für uns Produkte finden, die uns helfen. Und das ist eigentlich das gleiche, bloß das wir es halt nicht verkaufen, sondern wir müssen das für uns selber finden. Und dann müssen wir erstmal verstehen, was machen wir… Was sind wir eigentlich selbst? Jetzt bin ich aber glaube ich abgewichen. Wo wolltest du hin? Die Frage war glaube ich eine andere.

Lucas:

Also wir hatten drüber gesprochen: Wir kleben Zettel. Was schreiben wir auf diese Zettel drauf?

Hermann:

Zettel! Ja, genau. Zettel. Ja, genau. Da machst du halt auch Zettel. Da hast du die Canvas und da werden Zettel hin geklebt. Das ist einfach das Mittel der Wahl mittlerweile. Und je mehr Zettel, in dem Fall, je mehr Zettel desto besser, weil du willst ja eine repräsentative Zettelei haben. Das nutzt ja nichts, das war in dem ersten Anlauf, den wir genommen haben, haben wir irgendwie so zehn Leute gehabt und die Firma war damals schon mindestens 120 Leute groß. Wie viel Aussagekraft hat das denn? Mäßig. Du kannst jetzt hergehen so wissenschaftlich, ja wir machen eine Fokusgruppe, ein repräsentative, aber… Wenn du aus dem Material selber die Probleme finden willst, brauchst du viel Material. Dann ist es, hat es eine gewisse Wucht. Das heißt du musst viele, viele Zettel sammeln, was für einen Kollegen und mich natürlich anstrengend war, weil wir das nachsortieren mussten. Aber so ging das und wir haben ja dann auch 85 Leute waren glaube ich insgesamt in den Workshops, waren es. Das ist ganz schön viel. Wie viele sind wir denn? 150, also ist mehr als die Hälfte, das ist ziemlich gut. Und da hat es halt Zettel gehagelt und dann entstehen die Themen wie von selbst, weil alles irgendwo irgendjemand sagt. Und weil es… Es gibt oft so Diskussionen wie: ‚Ja, wenn das dann vergessen wird?‘ Nein, das wird nicht vergessen, irgendjemand sagt es. Und dann liest das irgendjemand in demselben Workshop: ‚Ah ja, genau, genau!‘ Macht noch einen Zettel dazu und so findest du jedes Thema. Absolut jedes Thema. Und wenn es nicht kommt, interessiert es wirklich keinen. Punkt. Und das ist auch ein Hinweis, dass man sich um Sachen nicht kümmern muss, die keiner schreibt.

Lucas:

Okay, also das heißt also, dass eure Philosophie war den Leuten so wenig vorzugeben wie möglich, damit sie tatsächlich selber auf die Ideen kommen, die ihnen wichtig sind. Also gar nicht so sehr jetzt ihnen ein bestimmtes Problem hinzustellen und darüber zu diskutieren, sondern tatsächlich den Leuten diese Chance zu geben auf alles zu kommen was sie beschäftigt.

Hermann:

Genau! Also einfach laufen lassen. Das ist… Wir haben ja ein ruhiges Brainstorming Format gewählt, Brain Writing nennt sich das, wo jeder für sich selber arbeitet. Wir haben sie ja trotzdem in zwei Gruppen gesteckt, damit sie nicht ganz so einsam ist, weil in Corona sind wir einsam genug. Und wir dachten es wäre ganz angenehm, wenn man mal mit jemand da bei Bedarf ein bisschen plaudern kann. Das wurde auch meistens gut angenommen. Nicht jeder will das haben, aber jede… manche wollen auch ihre Ruhe haben und das ist auch okay. Aber grundsätzlich. Ja und dann… Wir haben es halt in drei Teile geteilt, ganz oberflächlicher Begriff ‚Kultur‘, da gibt es ja tausend Definitionen was Kultur ist, das muss man nicht machen. Einfach: Wie gehen wir jetzt miteinander um? Ist ein großer Teil. Also so drüber nachdenken, was tun wir miteinander so? Wie behandeln wir uns gegenseitig. Dann das organisatorische, einfach sagen: Was… Welche organisatorischen Tätigkeiten haben wir? Und das dritte war Tools. Einfach: Mit welchen Werkzeugen arbeite ich? Ist natürlich der leichteste Teil. Der kulturelle Teil ist der schwierigste, aber da kam sehr viel rum. Also das war sehr interessant. Ja, dann halt unterteilt in Jobs Pains/Gains, alle drei großen Blöcke und das hat eigentlich gereicht, mehr musst du an Struktur nicht vorgeben.

Lucas:

Und dann ist einfach eine unglaubliche Menge an Zetteln zusammengekommen und…

Hermann:

Ja, 1900 Zettel.

Lucas:

Wow, das sind wirklich viele!

Hermann:

Das ist überwältigend!

Lucas:

Und die musstet ihr dann irgendwie zu zweit ja in eine Struktur bringen. Wie seid ihr denn dabei vorgegangen?

Hermann:

Intuitiv. Wir haben einfach geschaut: Das klingt wie das, das klingt wie das und was bedeutet das jetzt. Und das können wir Informatiker ganz toll, Kategorien bilden sind wir Meister. Also das gelingt uns sehr leicht. Das ist natürlich dann subjektiv gefärbt von denen, die es machen und es gibt nicht die eine Struktur, das ist ja klar. Du kannst das aus verschiedenen Blickwinkeln schneiden, aber das war einfach nur Fleißarbeit. Und das ging erstaunlich gut. Also wir haben nur ganz wenige Karten gehabt wo wir nicht wussten was wir damit anfangen sollen. Und das macht aber dann nichts, wenn da so zehn Karten keinen Platz finden, das verzerrt das Ergebnis ja nicht.

Lucas:

Ja und ihr seid dann irgendwie auf diesen Begriff Fischteich gekommen. Was.. Wo kommt der her?

Hermann:

Das war das entstie… Das ist von sich selbst entstanden. Wir haben erst so Blöcke gemacht grob, damit es zum Sortieren schnell geht. Das waren dann irgendwie so 20 oder was, weiß ich nicht mehr genau, große Blöcke. Da haben wir gemerkt: Da stecken jetzt noch mehr Themen innen drinnen, aber das können wir jetzt noch nicht zerreißen, weil wir sind ja noch nicht fertig. Also wenn du da so fünf Workshops hinter dir hast denkst du: Ja, da entsteht jetzt was, aber ich kann es jetzt nicht zerteilen, weil ich muss noch mehr Workshops einsortieren. Und das wird dann immer schwerer. Also man darf da nicht zu früh auseinanderrupfen alles, sondern erstmal grob. Und dann haben wir das gehabt und dann waren das große Blöcke. Und dann sind wir hergegangen, haben die Blöcke genommen und haben die nochmal in irgendwie kleinere Themen zerlegt. Und dann haben wir festgestellt: Die beste Darstellung ist, wenn wir die Jobs, die Tätigkeiten in die Mitte setzten und die Pains und die Gains seitig raus. Dann wird das wie so ein Wirbel von einem Rückgrat oder von einem Fisch und dann die Gräten, die gehen dann praktisch links und rechts raus. Und dann siehst du wunderbar welches Thema groß ist und wo viel Spannung ist, weil die Gains… die Pains Seite sehr lang ist, dann siehst du: ‚Oha, da haben viele Leute Stress damit.‘ Das kannst du aus der Vogelperspektive sehen, ohne das zu lesen. Das ist das coole, du gehst raus, zoomst raus in Miro und siehst: ‚Oha, was ist denn das für eine lange Gräte da?‘, dann zoomst du rein: ‚Aha, okay!‘. Und so kannst du schonmal die dicken Themen sehr schnell sehen und wir haben bei jeder so einer Fischgräte haben wir dann einen Begriff drübergeschrieben. Das ist auch gut gelungen, das geht echt gut. Und dann haben wir die nochmal thematisch zu gegliedert, so ähnlich wie sie erst in groben Klötzen kamen nochmal in einen Fisch gesteckt praktisch. Und das so größeren Bereiche, dass die zusammengehören. Und das war dann der Fisch. Ja, man hat Fische gehabt. Und dann mehrere Fische bilden einen Fischteich und das ist halt… ich mag bildhafte Sprache. Wir hätten jetzt sagen können: Problemcluster oder… Das ist langweilig. Du musst einfach ein schönes Wort nehmen, was sofort hängenbleibt. Fischteich. Und Fischteich ist super. Der Fisch und dann die Fischgräte, das merkt sich jeder gleich.

Lucas:

Ja, das geht mir auf jeden Fall auch so! Das bleibt im Kopf. Und was machen wir jetzt mit diesem Teich? Gehen wir jetzt angeln? Oder… also wie funktioniert das jetzt? Wie holt man da jetzt wieder etwas raus?

Hermann:

Ja, die Geschäftsleitung hat sich durch den ganzen Fischteich gepflügt, was ziemlich anstrengend ist. Und hat da so einen Sack voll, also so 5–6 Hauptthemen rausgesucht, die sie interessiert, die sie für wichtig hält. Und die nächste Phase ist jetzt, da haben wir jetzt auch schon einen Versuche durchgemacht, ist jetzt zu diesen Themen Ideen zu finden, wie man da Probleme lösen kann oder das verbessert. Das heißt die Synthese ist jetzt durch, das Ergebnis von der Synthese ist jetzt der Fischteich, der klar aufzeigt, wo Dinge sind mit denen man sich beschäftigen kann. Das heißt du hast eigentlich die gesamte INNOQ aufgespannt in diesem Fischteich, ohne drüber nachzudenken vorher, analytisch drüber nachzudenken. Du hast das aus der Evidenz heraus selbst geformt… formen lassen sozusagen. Das ist der riesige Unterschied, es ist niemand hergegangen gesagt: ‚Wir teilen jetzt die Problembereiche in das und das und das.‘. Nein, die kommen ganz von selber! Das ist eine ganz andere Herangehensweise. Jedenfalls… Jetzt geht es halt darum, was machen wir jetzt damit? Und dann brauchen wir wieder Leutchen, die in Workshops freiwillig mitmachen und dann wird öfter mal das Thema nochmal beleuchtet genau, damit die Gruppe auch… Wenn das so sechs Leute sind, die sind das erstmal, hocken die wieder mal remote und ich habe mittlerweile gelernt, wenn du remote Gruppenarbeit machst, musst du immer die Gruppe an sich gewöhnen lassen. Das heißt die müssen sich erstmal sehr intensiv austauschen über das was sie da sehen in dieser Fischgräte. Was ist da drin? Auch nochmal die eigene Erfahrung sich gegenseitig erzählen und da muss man sich Zeit nehmen. Und dann geht man näher und sagt: ‚Okay, jetzt, was für Kernfragen stellen wir jetzt? Was für Herausforderungen stellen wir uns jetzt? Welche positive Herausforderung?‘. Das kommt dann in eine sogenannte Leitfrage, die klingt dann so: ‚Wie könnten wir… Was müssen wir tun, um…? Welche Dinge müssen wir erfinden, um…?‘. Also eine positive Herausforderung formulieren und nicht sagen: ‚Wie lösen wir…? Oder das Problem muss gelöst werden.‘. Das ist alles so negativ, du gibst da eine positive Sicht in die Zukunft. Und mit dem gehst du dann wieder in ein Brainstorming Format. Das ist in dem Fall der Brain Writing Pool. Also man sitzt virtuell um einen Tisch und lässt die Karten einfach kreisen. Du schreibst etwas auf, gibst das der Nachbarin und da kann dann entweder etwas dazugeschrieben werden oder durchgereicht oder neue Karte in den Kreislauf. Und dann kreisen die Karten so lange bis sie wieder da ankommen, wo sie herkamen, und dann werden sie in den Pool gelegt. Ja und das Format hat halt den Vorteil, das ist auch still, was eigentlich das beste ist in online Sachen. Du kannst einfach nicht diskutieren, das ist viel zu ineffizient, das frustriert immer. Stille Formate sind besser. Und dann ja, jeder kann alles sehen, es kommt alles bei jedem vorbei und deshalb ist da auch ein Austausch dabei. Nicht nur still für sich, sondern man erzählt sich praktisch gegenseitig, was man denkt, auch in dem Format praktisch. Ja.

Lucas:

Okay, also das heißt in dem Format baut man dann auch ein bisschen auf den Ideen von der Gruppe mit auf, aber trotzdem auch arbeitet jeder für sich.

Hermann:

Genau, das ist so das Piggybacking. Also wenn du hinten drauf sitzt auf was, was jemand anderes hat, das ist ja gerade der Sinn vom Brainstorming, dass du mit anderen Ideen auch weiterspinnen sollst. Wenn du gerade keine hast, macht nichts, dann nimm die, die gerade daherkommt, die bei dir reinläuft und dann denkst du über das nach und dankst: ‚Oh, eigentlich nicht schlecht, ich hätte da noch die und die Sache dazu.‘. So funktioniert das.

Lucas:

Okay. Und also ein Thema was mich bei solchen Sachen auch immer beschäftig… also ich meine wir reden jetzt hier über den Kontext von einem ganz normalen Unternehmen. Aber ähnliche Sachen hat man ja auch in einem Projektteam beispielsweise, wo man ja auch mit Problemen umgehen muss, mit Wünschen umgehen muss von den Leuten. Eine Voraussetzung dafür ist ja immer ein gewisses Vertrauen was die Leute zueinander haben, dass sie auch ihre Kritik äußern dürfen und dass sie den Rest des Teams vertrauen, oder?

Hermann:

Ja, das ist… Was du jetzt meinst ist mehr so psychological safety. Das ist auch ein Vertrauen selbstverständlich. Das ist auch eine Form von Vertrauen, dass du sicher bist, dass dich für deine Äußerungen niemand attackiert. Vorausgesetzt natürlich du formulierst sie auch höflich und nicht… Wenn du jemand ans Bein pieselst, dann wird der sich natürlich zur Wehr setzen dürfen. Aber so macht man das ja nicht. Also da gehören zwei dazu. Das ist auch in deinem remote Format, ja noch in unserer remote Zeit ja noch viel wichtiger geworden, weil wir haben nur eine beschränkte Sicht auf uns. Wir haben so die Pixelsicht da vor uns, wir können keine Körpersprache lesen. Die ganzen kleinen Äußerungen fallen alle flach, du kannst die Leute wahnsinnig schlecht einschätzen. Und deshalb ist es total wichtig in so einem Format das erstmal herzustellen und dann… Die größte Vertrauensfrage, die ich auch in meinem Blogpost geschrieben habe, ist einfach die: Aus meiner Sicht, wenn ich jetzt das Projekt hier fazilitiere, ich kann es ja nicht selber machen alleine. Ich muss einfach drauf vertrauen, dass wenn ich den Leuten einen Rahmen gebe, wo sie sich austoben, wo sie sich einbringen können, dass ich drauf vertraue, dass ich das bekomme, was ich mir wünsche. Also dass das einfach wirklich kommt. Und das ist hart, weil du… nichts ist sicher. Das… Du musst einfach drauf vertrauen. Das ist anstrengend, weil das sind wir als Entwickler eigentlich nicht gewohnt. Wir haben schon gerne alles unter Kontrolle, wenn man mal ehrlich ist. Also wir kontrollieren die Maschine und nicht die Maschine uns. Wir vertrauen drauf, dass wir die Maschine kleinkriegen und nicht, dass jemand uns etwas liefert und wir völlig drauf uns verlassen müssen, dass das dann schon das richtige ist. Eigentlich wollen wir das nicht. Und das ist eine ganz andere Herangehensweise schon wieder mal. Und bis jetzt ist mein Vertrauen überhaupt nicht enttäuscht wurden, im Gegenteil, das ist überwältigend. Und Voraussetzung ist halt auch irgendwie eine gewisse Masse. Ohne Masse… Du musst viel von allem haben. Du musst viele Ideen sammeln, um gute Ideen zu kriegen. Das ist auch was, das nicht alle verstehen. Wir sind es gewohnt sehr restriktiv und linear zu denken, rational. Wir bilden uns erst in ein Thema selbst und dann gehen wir durch das Thema durch und massieren sozusagen mit unserem Wissen und gehen da sehr streng rational vor. Aber wenn du ein Thema dir erarbeitest, was völlig offen ist, wo nichts bekannt ist, dann kannst du so nicht arbeiten. Dann musst du… Dann musst du völlig frei und mit Masse arbeiten, dass du in alle Ecken leuchtest, die es überhaupt geben kann. Weil du weißt noch gar nicht was da draußen ist. Und deshalb brauchst du viel von allen, viele Ideen. Viele, viele Ideen. Du brauchst viele Leute, die mitmachen und ganz viele Zettel schreiben. Und dann sind viele Zettel dabei, die sind einfach nur Quatsch, aber dieser Quatsch, der befreit den Kopf. Wenn der geschrieben wird, dann kriegst du im Kopf einen ganz anderen Zustand und das gehört auch dazu. Das musst du alles üben, das sind wir nicht gewohnt. Wir wollen keinen Quatsch reden, das ist bei uns verboten. Wenn wir was sagen, muss das irgendwo in Google gefunden werden, was wir da sagen, sonst ist es falsch. Oder wir müssen die Beweise haben für alles. Das ist in dem Fall… Das geht anders hier. Wir brauchen keine Beweise. Ideen brauchen keinen Beweis, das sind einfach Impulse.

Lucas:

Ja. Das heißt also es gibt ja auch gar nichts, was man falsch aufschreiben könnte. Es ist…

Hermann:

Nein. Nein.

Lucas:

Genau. Es ist einfach irgendwie das, was man halt selber wahrnimmt als etwas was einem unangenehm ist oder etwas was einem fehlt. Das wären ja so diese Pains und Gains. Das ist extrem subjektiv. Und ich glaube, dass ist für uns ITler immer sehr schwer zuzugeben, dass etwas subjektiv, weil wir immer gerne so tun als wäre alles was wir machen so objektiv.

Hermann:

So tun als wenn es objektiv wäre.

Lucas:

Genau, ja.

Hermann:

Wer weiß, ganz viele sind der Meinung.

Lucas:

Ja, genau. Das bringt mich auch nochmal auf eine andere Frage. Du hast ja sehr lange als Entwickler gearbeitet, was hat dich denn dazu gebracht dich mit solchen Themen auseinanderzusetzen? Warum bist du… hast du dich mit Innovation und Facilitation auseinandergesetzt? Ist das ein… Hat sich dein Interesse verändert oder warum hast du das getan?

Hermann:

Ja, das war schon immer da, es wurde nur nicht rausgelassen. Also ich habe mich früher so charakterisiert, dass ich zur Hälfte Techniker, ein viertel Künstler und ein viertel Psychoanalytiker bin. So… Also so plakativ. War schon immer diese psychologische Schiene drinnen und da… ich habe mich schon immer für Menschen interessiert. Ich habe mich dann aber sehr viel mit Maschinen beschäftigt und dieses andere Viertel von mir ein bisschen unterdrückt. Das war dann aber… Das war nie weg. Und dann, ja ich mein ich habe jetzt 30 Jahre lang die ganze Zeit programmiert und das kannst… Irgendwann denkst du: ‚Ja, war gut, aber jetzt muss ich mal irgendwie etwas anderes tun!‘. Und Innovation hat mich auch schon immer so nebenher interessiert, wie geht das? Wie kann man das… Wie kann man das finden? Ich habe ja auch die Bücher gelesen, zum Beispiel ‚Innovators Dilemma‘ und dieses ganze. Das sind ja immer so die Posterchilds von der Innovation, von der technischen. Und… Und ja, dann musst du aber irgendwann einen Sprung machen und ich habe auch festgestellt, dass dieser Bereich irgendwo zwischen Entwicklungsteam und irgendwo das C-Level, also CEO/CTO, dass da immer ein großes Loch ist. Auch überhaupt die Fertigkeiten, um miteinander kollaborativ zu arbeiten ziemlich verkümmert sind. Nicht verkümmert, das würde ja heißen, dass sie schonmal da waren. Ne, sie sind noch nicht reif. Also es gibt so viele Dinge wie man besser kollaborativ miteinander arbeiten kann und die Zeit jetzt ist ja, die schreit ja danach regelrecht. Auch durch dieses remote Format, da müssen wir ganz andere Dinge finden, wie wir miteinander arbeiten. Man hockt sich nicht einfach eben schnell mal hin im Meetingraum zu fünft und bespricht schnell etwas, das geht nicht mehr. Und das ist alles schwieriger geworden, man braucht Übung in Methoden. Und da kommt das Facilitation Ding mit daher, weil da geht es um sowas: Wie kann man zusammen an einem Ergebnis arbeiten, dass das dann auch wirklich etwas bringt hinterher? Und dass man auch nachschauen kann, was dabei rauskam. Das sichtbar ist und effektiv. Und das ist… Ja und das hat mich alles ziemlich interessiert. Und die Kombination Innovation-Facilitate, da war praktisch beides in einem. Wie besser kann es denn noch werden? Das war ein Zufallsfund im Netz, dass es da Leute gibt, die sowas lehren. Das war genauso richtig für mich.

Lucas:

Ja, cool! Super Hermann! Dann danke ich dir für diese tolle Übersicht und auch für deine Arbeit daran. Also ich habe es ja jetzt auch schon als INNOQ Mitarbeiter mitbekommen, was da alles so passiert und ich find das wirklich sehr cool, was ihr da alles… wie ihr uns geholfen habt uns selber zu reflektieren. Also…

Hermann:

Ja, wir haben noch einen langen Weg vor uns!

Lucas:

Ja, klar

Hermann:

Also ich denke, dass ist auch, das ist meine persönliche Meinung, nicht abgestimmt mit irgendjemanden, ich sage, dass das ein kontinuierlicher Prozess werden muss. Wie im Unternehmen, dass man jetzt irgendwie mal ein Projekt machen muss für 4–5 Monate, so viel war es ja noch gar nicht… so 3 Monate und sagt: ‚So, jetzt haben wir uns verändert. Jetzt machen wir wieder weiter!‘. So. Ne, das geht nicht. Du musst das kontinuierlich betreiben, das muss… jetzt kommt dieses Wort, das muss ein Teil von der Kultur werden, dass man sich ständig permanent mit Dingen auseinandersetzt, die nicht gut sind und die auch in einer… wirklich auch so weit bringt, dass sie sich ändern. Nicht nur aufschreibt: Wir wollen das und das. Und dann lässt man es liegen im Confluence oder sonst wo, sondern dass da wirklich etwas rauskommt. Ein Produkt, jetzt bin ich wieder am Anfang, ein Produkt für uns, was auch verwendbar ist und Änderungen hervorruft wirklich. Genau, das…

Lucas:

Ja. Ich meine da ist es ja auch nicht unähnlich zu dem wie es im Projekt auch ist. Da ist ja auch nicht einmal eine Retro, sondern man hat auch immer wieder Retros, um sich zu reflektieren.

Hermann:

Ja, das ist ja dauernd. Das ist eine Daueraufgabe und wir bringen uns selber die Methoden bei Schritt für Schritt, denk ich mal. Die haben wir noch nicht, wir müssen das alles ausprobieren, das ist ganzschön mühsam. Aber muss man dranbleiben und immer wieder probieren, weil das kann dir niemand sagen, wie es geht, das kannst du nicht nach Googlen. Wenn du es versuchst, gehst du in einen Strudel der Pseudowissenschaft und sonst nur da… da verlierst du dich komplett! Diese Dinge muss man einfach tun und dann verbessern wirklich.

Lucas:

Cool! Gut Hermann, dann vielen, vielen Dank für deine Zeit! Und ja, wenn du nicht noch irgendetwas hast was dir noch auf dem Herzen liegt, was du noch gerne erzählen möchtest, würde ich sagen verabschieden wir uns an dieser Stelle und sagen bis zum nächsten Mal!

Hermann:

Yo, danke dir. War lustig, ist doch eine halbe Stunde geworden. Wer hätte das gedacht?

Lucas:

Ja, genau! Bis dann!

Hermann:

Servus, ciao!

Lucas:

Ciao!

Alumnus

Lucas war bis August 2023 Senior Consultant bei INNOQ. Er beschäftigt sich mit der Architektur, Konzeption und Umsetzung von Web Anwendungen in Front- und Backend. Er programmiert in Ruby und JavaScript und hilft bei der Entscheidung und Einführung verschiedener NoSQL Lösungen. Lucas ist Autor des Buchs „The Rails 7 Way“. Seine Stimme ist regelmäßig im INNOQ Podcast zu hören. Außerhalb seiner Arbeit beschäftigt er sich mit Open Source und Community Arbeit (wie die Organisation und das Coaching beim lokalen CoderDojo).

Senior Consultant

Hermann Schmidt arbeitet als Senior Consultant bei INNOQ. Nach über zwei Jahrzehnten als Entwickler und Architekt, die sich hauptsächlich um die Frage des „Wie“ der Softwareentwicklung gedreht haben, rückt bei ihm heute das „Was“ und „Wer“ in den Vordergrund. Als Facilitator interessieren ihn Teamstrukturen, Entwicklungs- und Innovationsprozesse, sowie Kreativtechniken. Probleme, die sich in der Wolke zwischen Fachbereich und Entwicklungsteam verstecken, sind sein Lieblingsgebiet. In letzter Zeit haben die Large Language Models bei ihm einen Funken gezündet, der ihn an die Zeit als 17-Jähriger im Gymnasium erinnert, als er fasziniert mit großen Augen vor dem einzigen Computer saß und seine ersten Programme schrieb.