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TL;DR
Die Challenge
Vorwerk wollte den Thermomix TM6 durch Digitalisierung und IoT-Technologien zu einer zukunftsfähigen Online-Plattform weiterentwickeln, um Millionen von Geräten weltweit zu vernetzen.
Unser Lösungsansatz
INNOQ konzipierte eine Architektur basierend auf Self-Contained Systems und Microservices, die die unabhängige Entwicklung ermöglicht und eine weltweite Skalierung unterstützt.
Das Ergebnis
Ein leistungsfähiges System, das täglich bis zu 45 Millionen Zugriffe bewältigt und eine nahtlose Integration von über 40.000 internationalen Rezepten direkt im Gerät ermöglicht, was Vorwerk zu einem Marktführer in der digitalen Küchenwelt macht.
Der Vorwerk-Case auf einen Blick
- Konzeption der Thermomix-Plattform: Vernetzung unzähliger IoT-Geräte und Integration von Web-Services
- Konzeption der Architektur auf Basis von Self-Contained Systems (SCS) und Microservices
- Effizienz und Zukunftssicherheit durch unabhängige Entwicklungsteams, deren Software über Web-Standards kommuniziert
- Neben der Konzeption übernahm INNOQ Verantwortung für zentrale Aufgaben wie verschlüsselte Firmware-Updates
- Hervorragende Skalierung des Systems – nötig wegen des weltweiten Erfolgs
- Rollout in China mit besonderen Herausforderungen, unter der Federführung von INNOQ
Die Thermomix-Macher von Vorwerk sind schon lange INNOQ-Kunde. Doch für die Weiterentwicklung der Rezepte-Plattform Cookidoo® ging es ans Eingemachte: Millionen von IoT-Geräten mussten vernetzt, verschiedene Fachbereiche organisatorisch wie technisch angebunden und Inhalte benutzerfreundlich gestaltet werden. Hinzu kamen Themen wie verschlüsselte Betriebssystem-Updates für den Thermomix, sichere Authentifizierung und hohe Nutzerlasten. Die bisherige Plattform musste von Grund auf neu gedacht werden.
Während viele Unternehmen gerade erst in das Zeitalter der Digitalisierung starten, stehen manche schon mit beiden Beinen mitten in der digitalen Erfolgsgeschichte. Diese tragen ihr Kerngeschäft oder einzelne Produkte mit großem Aufwand ins digitale Zeitalter.
Selten sind jedoch diejenigen Unternehmen, die nicht nur eine Transformation des Bestehenden erreichen, sondern völlig neue Produkte kreieren, die ganze Lebensbereiche und Gewohnheiten von Menschen grundlegend verändern.
Eine dieser Erfolgsgeschichten mit milliardenschwerem Return hat Vorwerk geschrieben. Der Thermomix®️ TM5™️ hat Millionen Haushalte weltweit in Entzückung versetzt. Als Pionier in der digitalen Küchenwelt hat das Gerät eine emotionale Debatte um den Fortschritt und den Nutzen von IoT-Geräten im Alltag des Endkunden ausgelöst. Spätestens aber, seit das Produkt die Küchen von zahlreichen Sterne-Restaurants ziert, ist klar, dass Vorwerk die Kultur des Kochens nachhaltig beeinflusst hat.
Ein großer Teil des Erfolgs des smarten Küchenprofis ist unweigerlich verknüpft mit der Softwareplattform, die eine digitale Brücke in den Alltag der Nutzer geschlagen hat. Die Plattform hat die Ernährungsgewohnheiten verändert – mit Rezepten, Inspiration, Organisation und einer neuen Vielfalt. Technisch sorgt die Plattform im Hintergrund für die komplexe Koordination von Millionen IoT-Geräten in vielen Teilen dieser Welt.
Cloud-Konzept für den Thermomix TM6
Das neue Thermomix-Gerät sollte die Cloud-Anbindung voll ausnutzen. Das digitale Rezept-Portal Cookidoo ist direkt am Display integriert, wodurch ein direkter Zugang zu über 40.000 internationalen Rezepten ermöglicht wird: Vorwerk wollte die Geling-Garantie auf ein neues Level bringen.
INNOQ war von Anfang an dabei. In der Konzeptionsphase des Gesamtsystems probierten wir mit verschiedenen Teams konkurrierende Architekturansätze in einer prototypischen Herangehensweise aus. Dies half uns die Anforderungen an Skalierungsfähigkeit, Isoliertheit und Robustheit genauer einzugrenzen. Am Ende setzten wir auf ein modulares Konzept aus Self-Contained Systems (SCS) und Microservices. Das ermöglicht es den verschiedenen Fachbereichen, unabhängig voneinander zu arbeiten: Die Architektur ist so ausgelegt, dass die einzelnen Bestandteile miteinander kommunizieren, dabei aber autonom gepflegt werden. Ein Vorteil, der sich daraus ergibt ist die Möglichkeit einer parallelen und somit schnelleren Feature-Entwicklung. Zudem erhöht sich die Ausfallsicherheit: Sollte es beispielsweise ein Problem mit der Suchfunktion geben, können die Kunden trotzdem weiter Subscriptions kaufen und ansehen – anstatt womöglich frustriert aufzugeben, weil das Gesamtsystem durch den Fehler in der Suche lahmgelegt wurde. Dieser Ansatz setzt also maßgeblich auf die Unabhängigkeit der Teams und ihrer Services, und optimiert so nachhaltig die Lieferfähigkeit für neue Features der Plattform. Das bietet einen großen Vorteil gegenüber Rapid-Development-Ansätzen, die zwar schnelle Resultate liefern, aber schon nach kurzer Zeit nur schwer weiterzuentwickeln sind.
Für die Vorwerk-Plattform heißt das, dass jeder Domäne ein oder mehrere technische SCS zugeordnet werden. Dieses System unterliegt auf makro-architektureller Ebene cross-funktionalen Grundvorgaben, während es innerhalb der eigenen Systemgrenzen technologisch unabhängig entwickelt werden kann.
Wichtige Kernqualitäten des SCS-Ansatzes sind:
- Skalierbarkeit des eigenen SCS
- Unabhängigkeit in der Entwicklung von anderen SCS
- Isoliertheit gegenüber den Fehlern anderer SCSs
- Implementierungsfreiheit auf Mikro-Architekturebene
- Einfachheit, Wartbarkeit, Ersetzbarkeit
Als Domain-Architekten hatten wir hier die wichtige Rolle, die technischen Konzepte einzufordern, aber auch als Vermittler zwischen den Fachbereichen und den Teams aufzutreten. Die technische Analyse von fachlichen Features, Qualitätsanalyse der Lieferungen von Dienstleistern sowie die Problemanalyse waren Kernaufgaben. An dem Projekt sind sowohl INNOQ Deutschland als auch INNOQ Schweiz beteiligt.
Team-Setup mit fachlichen Domänen
Die Entwicklungs-Teams können sehr unabhängig voneinander arbeiten, die Aufteilung richtet sich nach fachlichen Kriterien. Dies erreichen wir durch Self-Contained Systems (SCS): Die Teams treffen technische Entscheidungen weitgehend selbst, wobei ein technischer Rahmen vorgegeben wird.
Verzicht auf Event-Architektur
Wir haben Vorwerk empfohlen, die Daten-Synchronisation mittels HTTP-Feeds zu lösen, anstatt auf eine Event-Architektur zu setzen. Klarer Vorteil ist, dass wir so auf einen zentralen Event-Storage-Monolithen verzichten können. Der Overhead ist entsprechend klein. Ausfälle einzelner Datenfeeds beschränken sich auf diese und gefährden nicht die Funktionalität des Gesamtsystems.
UI Pattern Library & Mobile first
Zur Standardisierung der Darstellung auf Tablets, Smartphones und Thermomix-Bildschirmen verwenden wir eine zentrale Pattern Library. Das schafft klare Vorgaben für die verschiedenen Teams und stärkt das Gesamtkonzept der unabhängigen Entwicklung in den verschiedenen Fachbereichen. Von Anfang an war auch klar, dass mobile Endgeräte im Fokus stehen. Dabei ging es uns nicht vorrangig um Responsive Design, sondern vor allem auch um Performance: Auch schwächere Endgeräte sollten die Inhalte problemlos rendern. Wir konnten die wahrgenommene Geschwindigkeit für die Endnutzer*innen durch die Vereinfachung unserer Frontend-Implementierung deutlich verbessern.
Kerntechnologien
- lose gekoppelte Hypermedia-Kommunikation über HTTP
- asynchrone Datenübertragung zwischen den SCS mittels HTTP-Feeds
- Re-Integration der verteilten SCS auf UI-Ebene mittels modernster Frontend-Technologien
- Authentifizierung mittels Oauth2 / OpenID Connect
Transparenz und Cultural Change
Aber nicht nur technische Aspekte entscheiden über den Erfolg eines so umfassenden Projekts. Ebenso wichtig sind ein tiefes Verständnis des Kunden und seines Geschäftsmodells sowie eine offene Kultur.
Ein wichtiger Grundpfeiler des ganzen Projekts war daher der offene und direkte Austausch zwischen den verschiedenen Entwicklungsteams. Wenn sich bei der Entwicklung eines Features Abhängigkeiten zwischen Systemen ergaben, war es selbstverständlich, dass diese direkt von den Teams aufgelöst wurden. Gemeinsam konnten wir Transparenz als „Default” für die Entwicklung etablieren. Code und Dokumentation wurden standardmäßig allen Projektteilnehmerinnen zur Verfügung gestellt und konnten somit von allen genutzt werden, um Inspiration und Wissen zu teilen. Die gegenseitige Einsicht und Nutzung der Dokumentation erlaubte es auch, Bestehendes in Frage zu stellen und so kontinuierlich Verbesserungspotential aufzudecken. Die von uns gewählten Tools und Methoden gaben einen klaren Rahmen, so dass diese Verbesserungen Schritt für Schritt einfließen konnten.
Große IoT-Plattform mit verschlüsselten Updates
Eine besonders schwierige Herausforderung bei diesem Projekt war gleichzeitig eine der Kernaufgaben: Es sollte nämlich eine von Grund auf neue Kommunikationsplattform für die neueste Gerätegeneration des Thermomix werden. Zum Aufbau dieser Kubernetes-gestützten IoT-Plattform gehörten die Bereitstellung von verschlüsselten Betriebssystem-Updates und die zertifikatsgestützte Authentifizierung der Endgeräte gegenüber der Plattform. Keine leichte Aufgabe.
Daher freute es uns, dass wir neben der Architekturplanung auch genau mit diesen beiden Aufgaben innerhalb des Projekts beauftragt wurden. Gemeinsam mit dem Kunden entwickelten unsere Architekten und Entwicklerinnen ein ausgefeiltes Kommunikationskonzept auf Basis von Mutual TLS Authentication und eigener Client/Server-Zertifikatsinfrastruktur.
Sobald Geräte diesen Authentifizierungsprozess durchlaufen haben, können sie passende Firmware-Updates herunterladen und mit der restlichen Plattform kommunizieren. Das Team unterstützte mit viel Know-how den Kunden dabei, ein Konzept für die performante, dabei aber dennoch sichere Auslieferung der Updates an die Geräte bei den Kundinnen und Kunden zu entwickeln.
Skalierung und Export nach China
Dass die Lösung trägt, zeigt nicht zuletzt die intensive weltweite Nutzung. Der erfolgreiche Export nach China stellt sicher einen Härtetest für das System dar und bestätigt die Robustheit der Architektur.
Unser gewählter Architekturansatz, der auf Self-Contained-Systems beruht, hat uns stark geholfen. So konnten wir einzelne Komponenten mit speziellen Anforderungen für China neu entwickeln, während andere übernommen wurden. Die vertikale Trennung und standardisierte Kommunikation zwischen den Anwendungen verschiedener Fachbereiche macht dies möglich.