Teil 1 - Was macht eine gute Retro aus?
Teil 2 - Visuelle Abfragen
Teil 3 - Universelle Kategorien
Teil 4 - Freie Fragen und 5 Why
Teil 5 - Zerstören und Ein Tag für die Tonne
Teil 6 - Timeline
Teil 7 - Abschließende Tipps
Im Teil 3 der Retro-Serie stelle ich Ihnen mein Universalformat vor, das ich meistens bei regelmäßigen Retros einsetze. Das Format nutzt gezielt die Vorteile digitaler Boards, wie z.B. Miro.
Meine ersten Retros waren in einer relativ freien Form, wie ich es von physischen Boards gewohnt war. Ich gab nur grobe Kategorien vor, wie z.B. “das freut mich”, “das nervt oder brennt bald”, “das möchte ich genauer anschauen”. In diesen Kategorien wurden dann Zettel ausgefüllt.
So ein Format hat gewisse Nachteile.
- Mehrere Ebenen ansprechen: Aus Edward de Bonos Six Thinking Hats habe ich gelernt, dass als erstes immer eine sachliche Beobachtung stehen soll (weißer Hut). Danach sollte die Gefühlsebene Raum bekommen (roter Hut). Anschließend kommen Risiken (schwarzer Hut), Chancen (gelber Hut) und Lösungsoptionen (grüner Hut) dran. Für eine Retro wäre das mit einzelnen Zetteln viel zu aufwändig.
- Mühsames Clustering: Werden Zettel frei ausgefüllt, müssen anschließend verwandte Themen durch Clustering gefunden werden. Das ist eine langwierige Schieberei von Zetteln, das Team verliert den Schwung, und es braucht zu viel Zeit.
Ich entwickelte eine Form, mit der mehrere Ebenen auf einmal angesprochen werden können und das Clustering nach Themen automatisch passiert.
Die volle Wucht aller Hüte war mir zu komplex. Ich verwende eine vereinfachte Form die aus 3 + 1 Teilen besteht:
Ein Beitrag besteht aus einem Block mit dem Avatar und den ersten drei Teilen:
Wie bei den Denkhüten ist Weiß die Beobachtung oder der Fakt. Rot ist die Gefühlskarte. Gelb ist eine Kombination aus dem gelben und grünen Hut. Hier kann sowohl eine Idee, als auch ein positiver Ausblick drinstehen. Achten Sie darauf, dass in der roten Karte tatsächlich ein Gefühl geäußert wird, und nicht eine sachliche Schlussfolgerung aus der weißen Karte drinsteht in der Art „das hab ich beobachtet“ (weiß) – „das schließe ich daraus“ (rot) – „das sollten wir machen“ (gelb).
Die Beiträge werden sofort nach der Erstellung in Kategoriekästen einsortiert. Um etwas Farbe in das Board zu bringen, hat jede Kategorie ein Symbolbild. Eine Text-to-Image AI eignet sich hier ausgezeichnet, falls Sie fürchten, dass Sie wegen Ihrer Handzeichnungen ausgelacht werden.
Ich lasse maximal 15 Minuten Zeit für das Ausfüllen. Im Onlinekonferenz-Tool können die Teilnehmer:innen das Handsignal setzen, um zu zeigen, dass sie fertig sind.
Die folgende Kategorien verwende ich aktuell:
- Feiern – Zum Einstieg erst mal die guten Erlebnisse erzählen.
- Auf den Mond schießen (alternativ: in den Krater werfen) – Dinge ansprechen, die richtig nerven.
- Variante a) Maschine kaputt, muss in die Werkstatt – Hier ist Platz für technische Themen. Variante b) Hier könnten wir baden gehen – Sinnbildlich für Risiken aller Art.
- Hier gibt es was zu besprechen – Alles was nicht Technik ist.
- WTF-Momente, Seltsames uns was sonst nirgendwo reinpasst – Der Sammeltopf für thematische Sonderfälle.
- Work-Life-Balance – Hier besprechen wir persönliche Dinge, die evtl. belastend sind, aber natürlich auch schöne Erlebnisse. Meistens ergibt sich daraus ein guter Ausklang der Retro. Ab und zu kommt diese Kategorie früher dran, je nachdem wie die Beiträge verteilt sind.
Lösungsvorschläge und Erkenntnisse halten wir bei Bedarf mit einer blauen Karte fest. Wie im Teil 1 erläutert, verfolge ich als Facilitator diese nicht nach. Man muss sie trotzdem einmal in Text gießen, damit sie ausformuliert und vereinbart sind.
Eine komplette Retro sieht dann z.B. so aus:
Im nächsten Teil lernen Sie ein freies Fragen-Format kennen, das in meinen Teams sehr beliebt ist.