Teil 1 - Was macht eine gute Retro aus?
Teil 2 - Visuelle Abfragen
Teil 3 - Universelle Kategorien
Teil 4 - Freie Fragen und 5 Why
Teil 5 - Zerstören und Ein Tag für die Tonne
Teil 6 - Timeline
Teil 7 - Abschließende Tipps
Willkommen zu Teil 4 der Retro-Serie. Im Format #1 kamen die Fragen noch von mir. Warum nicht das Team sich gegenseitig Fragen stellen lassen? Auf diese Idee kam ich überraschend spät. Das Format eignet sich für zwei Retros hintereinander, weil immer mehr Fragen entstehen als Zeit dafür ist und bei Bedarf problemlos weitere Fragen erzeugt werden können.
Format #3 – Freie Fragen
Die Konstruktion ist simpel. Ein Block, der den Avatar mit Fragezettel kombiniert, wird ausgefüllt. Nach etwa 10 Minuten ist immer genug Material beinander und ich stelle frei, in welcher Reihenfolge die Fragen drankommen. Man muss sich aktiv melden und die Frage vorstellen. Nach dem Voting kommen alle zu Wort und erzählen, wie sie zu ihrer Einschätzung kamen.
Das schöne an dem Format ist, dass die Themen frei entstehen ohne Vorgaben. Das Team sitzt am Steuer. Als Facilitator muss ich aufpassen, dass die Zeit gleichmäßig verteilt wird, alle drankommen, und die Fragestellenden zufrieden mit den Antworten sind. Anfangs beobachtete ich noch etwas Zurückhaltung bei den Fragen, aber schon nach kurzer Zeit entstanden interessante Themen und lebendige Dialoge. Aha-Erlebnisse sind garantiert!
Aufgrund der Popularität des Formats bei den Teams biete ich es inzwischen in Kombination mit Format #2 (Kategorien) als Standard an.
Format #4 – 5 Whys
Das vierte Format verwendet die universelle Kreativtechnik 5 Whys. Ich stelle dem Team eine Frage, zum Beispiel “Was wäre dein Wunsch, wenn dieser ohne Widerspruch erfüllt werden müsste”. Als Anstoß gebe ich zwei Kategorien vor: nach innen gerichtet ans Team und nach außen gerichtet an die (Projekt-)Umgebung. Ein Wunsch wird formuliert und mit 5 Whys still bearbeitet. Danach werden die Ergebnisse vorgestellt. Der Wunsch muss nicht realistisch erfüllbar sein, es geht um das Erforschen und Mitteilen eines Bedürfnisses.
Mit den 5 Whys bildet man eine immer tiefer gehende Kette aus maximal fünf Antworten auf “Warum?”. Das klingt einfacher als es ist, denn nur allzu gerne reißt man aus der Kette aus und fängt einen zweiten Strang an, weil es einfacher ist. Die ersten drei Warum gehen meistens noch leicht von der Hand. Ab dem vierten muss man langsam ehrlich zu sich selbst sein. Wenn es leicht fällt, machen Sie es sich zu einfach! Nehmen Sie sich die Zeit, um tief nach Ursachen zu suchen. Das Ende der Kette ist interessant und kann Dialoge in Gang setzen.
Das folgende Bild zeigt, wie sich eine Kette verknüpft und am Ende ein tiefes Bedürfnis hervorbringt. Der Wunsch ist nur der Startpunkt, die beobachtete Spitze des Eisbergs. Das Ende kann, und soll sogar, ganz woanders liegen.
Die Zettel sollten sich flüssig lesen lassen ohne logische Brüche, wenn sie mit “weil” verbunden werden. Man merkt so schnell, ob eine Antwort sich nicht auf die vorausgehende bezieht. Sich hier zu bemühen lohnt sich, aber allzu streng sollten Sie auch nicht mit dem Team sein, Hauptsache die letzte Antwort zeigt eine tiefer liegende Erkenntnis oder Absicht. Es müssen auch nicht immer fünf sein, aber wenigstens vier. Die 5 Whys brauchen schon etwas Übung.
Eine witzige Frage für das Teambuilding ist “Wenn du mit jemand die Rolle tauschen müsstest, wer wäre das?”. Das lockt interessante Ansichten raus und man zeigt sich gegenseitig Wertschätzung. Sie dürfen halt nicht beleidigt sein, wenn niemand mit Ihnen tauschen will…
Wenn das Team mit dem Format vertraut ist, kann es in einem kurzen Brainstorming auch selber Fragen erfinden und mit einem Voting auswählen.
In der nächsten Folge kommt die Kreativtechnik Kopfstand zum Einsatz.