Mittlerweile habe ich als Trainer einige Online-Schulungen und -Workshops durchgeführt, und möchte Ihnen einen Einblick in mein Setup geben. Auslöser für diesen Artikel war das nachfolgende Foto – genau genommen die ungläubige Reaktion eines Bekannten, der mich erstaunt gefragt hat: „Wozu brauchst Du denn das alles?“

Gernots Arbeitsplatz für online-Trainings
Gernots Arbeitsplatz für online-Trainings

Vorweg: Falls Sie Tipps für didaktische Aufbereitung und Durchführung von Online-Trainings suchen – um die soll es an dieser Stelle ganz bewusst nicht gehen.

1. Das Workhorse

Als Arbeitsgerät nutze ich meinen Apple iMac von 2011 (richtig, ziemlich alt), dessen eingebaute Kamera eine leicht erhöhte Position gegenüber meinem Kopf davor hat. Für die vielen Fenster (von denen ich einige noch erkläre) verwende ich einen zweiten Monitor, und habe die Original-Tastatur/Maus durch eine ergonomische Microsoft Sculpt Kombi ersetzt. Gut für meine lädierten Schultern…

Mein iMac hängt via Ethernet-Kabel am heimischen Router - und wir haben vor einiger Zeit auf eine 100 MBit downstream, 40 MBit upstream Internet-Anbindung aufgestockt - denn bei uns arbeiten gleich mehrere Personen im Homeoffice. Falls Sie über Ihre Internetverbindung alleine verfügen können, genügen auch 10 MBit upstream für halbwegs ruckelfreie Videos.

2. Video-Konferenz

Damit ich überhaupt mit Teilnehmer*innen meiner Schulung interagieren kann, verwende ich eine Videokonferenz-Software (hier: BlueJeans, ansonsten Zoom, das rein browser-basierte WhereBy oder ähnliche).

Fast alle Videokonferenz-Systeme, die ich ausprobiert habe, gieren nach Speicher – und der ist bei mir mit 8GByte arg knapp bemessen (wie gesagt, mein Computer stammt aus 2011). Denken Sie bei wenig Speicher erst gar nicht daran, parallel zur Videokonferenz noch einen Build-Prozess zu starten oder Ihren heimischen Kubernetes-Cluster hochzufahren… oder Sie investieren in RAM, viel RAM.

Diverse Hersteller rühmen die so genannten breakout rooms ihrer Software (u.a. Zoom und BlueJeans). Meiner Erfahrung nach stecken die allerdings in den Software-Kinderschuhen: Die Zuordnung von Online-Teilnehmer*innen zu Breakout-Rooms darf ich bei den genannten jedes Mal (!) wieder neu vornehmen – grausig. Da finde ich es effektiver, für Übungsgruppen jeweils getrennte Sessions einzurichten – also beispielsweise eine Zoom- oder BlueJeans-Session für Team-A, eine zweite für Team-B und so weiter. Jede dieser Gruppen-Sessions bekommt einen eigenen Link, und diese Links verteile ich sowohl über Email als auch unseren gemeinsamen Signal-Chat (siehe Punkt 6.). So begeistert ich anfänglich über das Feature von Breakout-Rooms war - da ist bei mir (und vielen Teilnehmenden) leider schnell Ernüchterung eingekehrt.

Für dieses Setup von Übungen in mehreren parallelen Video-Sessions finde ich einen Web-Timer (siehe unten, Punkt 14) sehr hilfreich.

Ach ja – bei manchen meiner Schulungsteilnehmer*innen war die Internetverbindung wackelig. In solchen Fällen hilft es ungemein, die Videokamera dieser Personen zumindest zeitweise auszuschalten, um Bandbreite zu sparen.

Persönlich finde ich es zwar angenehmer, meine Teilnehmer*innen zu sehen – aber manchmal ist dieser Kompromiss notwendig.

Eine praktische Funktion nahezu aller Videokonferenz-Systeme ist übrigens ein Chat – über den ich einerseits unmittelbare Rückmeldungen oder Fragen der Teilnehmenden bekomme – andererseits auch Links auf unsere Online-Flipcharts verteile (siehe Punkte 9 unten).

3. Front-Lampen

Schlagschatten im Gesicht oder Beleuchtung von hinten führt zu optisch wenig ansehnlichen Videoaufnahmen. Damit meine Gegenüber zumindest ein wenig von meiner Mimik und Gestik erkennen können, verwende ich zwei Front-Lampen, die mich von vorne ausleuchten. Eine professionelle Fotografen-Lampe wäre sicher noch besser, fällt bei mir aus Platz- und Preisgründen aber aus.

Die runde Leute rechts im Bild oben habe ich übrigens als Schmink- und Selfie-Leuchte gekauft. Ins Zentrum des Ringes könnte ich eine Handy-Halterung oder sogar eine Kamera schrauben… aktuell bin ich mit meiner eingebauten Webcam aber noch zufrieden. Achten Sie beim Kauf auf warme Farbtemperatur und Blendfreiheit. Meine Lampe hat 3200k und ist in der Helligkeit über Taster in vier Stufen regelbar.

4. Mikrofon

Gutes Audio gilt bei Videos als wichtiger als die perfekte Bildqualität – daher ist für Online-Kommunikation (Videos, aber auch Telefonkonferenzen) ein halbwegs gutes Mikrofon unerlässlich.

Nach etwas Recherche (und leidigen Lieferproblemen des Kult-Mikros Blue Yeti) habe ich das recht günstige Uhuru-UM-900 gekauft, und auf einen schweren Standfuss montiert. Das hat für mich den Vorteil, dass kein lästiger Mikrofon-Schwenkarm vor dem Bildschirm stört. Dieser Standfuss, auf dem Bild zu sehen, wiegt übrigens 1.5 Kilo – und steht daher sehr stabil auf meinem Schreibtisch.

Mikro auf schwerem Standfuss
Mikro auf schwerem Standfuss

Montieren Sie Ihr Mikrofon unbedingt mit einem Stoßdämpfer, damit in der Audioübertragung keine Vibrationen vom Tisch auf die Membran übertragen werden. Eine solche Anti-Schock Halterung gehört bei vielen Stativen und Mikrofonen zum Lieferumfang.

Tipp: Vor dem ersten Training unbedingt mal die Audioqualität mit einem getrennten Client überprüfen – die Aussteuerung des Mikrofons sollte einerseits laut genug sein, um die Stimme deutlich zu hören – aber Übersteuerung führt zu unschönen Störgeräuschen.

5. Zeitplan

Zwar habe ich auch bei vor-Ort Trainings grundsätzlich einen Zeitplan, aber oftmals ist der höchstens auf Basis von 90- oder sogar 180-Minuten Blöcken geplant. Für Online-Trainings war es mir wichtig, diese Planung zu verfeinern, und gezielt Puffer-Blöcke zu schaffen.

In den letzten Trainings haben wir von 8:30 bis 12:30 Uhr im Stunden-Rhythmus gearbeitet, dann ca. eine Stunde Mittagspause, danach nochmals 1–2h. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, jeweils ca. 50min zu arbeiten und dann 10min Bildschirmpause einzulegen.

Grundsätzlich waren wir etwas langsamer als im Live-Training, weil beispielsweise jegliche Interaktion (etwa: Fragen der Art „Was ist eure Meinung zu Thema-X?“) immer eine Kleinigkeit länger dauern, als in einer Präsenzveranstaltung. Meine geplanten Puffer haben wir von daher immer aufgebraucht… und mehrfach nachmittags auch bis 15h statt der geplanten 14:15 gearbeitet.

Zur besseren Einhaltung der Zeitplanung empfehle ich insbesondere für die Pausen einen Timer (siehe Punkt 12 unten)

6. (Getrennter) Chat mit Teilnehmenden

Für den Fall von Ausfällen der Technik (Computer, WLAN, Router, Video-Software oder auch der Video-Konferenz-Provider) benötige ich einen Kommunikationskanal, auf dem ich alle beteiligten Personen zuverlässig erreichen kann. Dafür habe ich mich an die Empfehlung von Edward Snowden gehalten und nutze den Signal-Messenger. Der hat zwar eine etwas geringere Verbreitung als WhatsApp, dafür ist er auch für hochgradig sensible Kommunikation geeignet.

Es gibt Signal für alle gängigen Betriebssysteme, bei mir sehen Sie die macOS-App laufen. Die Desktop-Versionen benötigen zwingend ein Pendant auf Ihrem Mobiltelefon – und leider kann ich Signal-Gruppen ausschließlich auf meinem Telefon einrichten. Über Signal verteile ich z.B. die Links zu Online-Flipcharts für Übungsgruppen, weil jede Gruppe, unabhängig von ihrer jeweiligen Videokonferenz, darauf Zugriff haben.

Kleiner Tipp am Rande: Die Lebens- und Erfolgsgeschichte des Signal-Erfinders Moxie Marlinspike finde ich sehr lesenswert, den das Wired-Magazin mal als Kandidaten für „the most interesting man in the world“ bezeichnet hat.

7. iPad für Folien

Ich verwende PowerPoint auf meinem kleinen iPad, und habe das per USB-Kabel angeschlossen. Meine virtuelle Kamera (siehe Punkt 10 unten) akzeptiert das iPad als Kamera – so dass ich meine Folien direkt vom iPad streamen kann.

Jetzt fragen Sie, warum ich denn noch ein Gerät verwende, wo doch der Mac ideal geeignet für eine Präsentation wäre?

Links neben meiner Tastatur sehen Sie einen Apple Pencil, mit dem ich auf dem iPad auf meinen Folien zeichnen oder markieren kann: Fast so, als würde ich an einer Leinwand auf die Stellen zeigen… und dieser Markierungs-Modus funktioniert mit einem Stift unglaublich viel besser als mit der Maus auf dem großen Computerbildschirm.

Teilweise benutze ich das iPad auch, um zu „skribbeln“ – was ich in einem Live-Training auf dem Papier-Flipchart tun würde.

8. Vorschau der Folien

Auf meinem winzigen iPad Mini fehlen mir die Sprechernotizen, die PowerPoint standardmäßig auf einem zweiten Monitor anzeigt. Daher öffne ich die Präsentation in PDF-Form parallel, und behalte damit den Überblick.

Die PDF-Version verwende ich übrigens, weil meine Teilnehmer*innen das identische PDF als Download bekommen, und ich dann über die Seitenzahlen eindeutig einzelne Slides referenzieren kann.

9. Online-Flipchart

Zu jedem effektiven Training gehören praktische Übungen, einzeln oder bevorzugt in kleinen Gruppen. In Online-Trainings nutze ich dazu ein „distributed Flipchart“, wie Miro, Conceptboard oder Jamboard. Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von Anbietern – ich habe mich für Conceptboard entschieden, primär weil das Unternehmen aus Deutschland stammt und mir die Usability gut gefällt.

Ein nettes Feature von Conceptboard: Ich kann Links auf ein Board generieren und per Mail oder Chat weitergeben – und allen Personen mit diesem Link dann Schreib- bzw. Leserechte auf diesem Board geben.

So ein Online-Flipchart finde ich für Gruppenübungen etwas zwischen unabdingbar und super-praktisch.

10. Virtuelle Kamera

Der möglicherweise umstrittenste Teil meines Setups. Die virtuelle Kamera kann verschiedene Eingabequellen (z.B. Foto-Dateien, animierte GIF’s, Smartphone-Kamera, die WebCam und etc.) kombinieren, spiegeln, vergrößern und mit Texten überlagern, und auch Fenster von Applikationen in den Video-Stream übernehmen.

Damit kann ich beispielsweise meine (vom iPad gestreamten) Folien, siehe Punkt 7 oben, mit meiner WebCam überlagern, und damit ein Bild-in-Bild Effekt erreichen.

Ich nutze ManyCam, das noch eine Vielzahl weiterer Funktionen bietet, etwa Greenscreen, Laufschriften und Playlisten. Schön finde ich die sanften Transitionen von einem zum nächsten Preset. Vorsicht: ManyCam hat eine ordentliche Einarbeitungs-Kurve – allerdings gibt es auch Dutzende von YouTube-Videos mit Anleitungen und Tipps.

Nachfolgend ein Screenshot mit einigen meiner vorbereiteten Perspektiven oder Quellen (im Bild mit P1 bis P5 markiert).

ManyCam mit mehreren Presets
ManyCam mit mehreren Presets

Ein Wort zur Vorsicht: Prüfen Sie mit Ihrer Videokonferenz-Software, ob die Bildqualität durch eine virtuelle Kamera leidet. Ich habe insbesondere bei meinen Powerpoint-Slides damit stellenweise Probleme. Da ich auf Folien meistens sehr große Schriften verwende, spielt das i.d.R. keine große Rolle.

11. Ergebnisdokument

Während jedes Trainings kommen Fragen auf, die wir in der Gruppe diskutieren: Die Ergebnisse dieser Diskussionen möchte ich aufheben, und dazu habe ich immer ein Ergebnisdokument offen. Das kann ein mit allen Teilnehmenden geteiltes Google-Doc oder etwa ein Office-365/SharePoint-Dokument sein. Ich bevorzuge wirklich ein Textdokument, anstelle eines Online-Flipcharts (siehe Punkt 9 oben), aber das ist vermutlich Geschmackssache.

12. Gemeinsame Cloud-Dateiablage

Ob Dropbox oder SharePoint/OneDrive spielt kaum eine Rolle – aber eine für alle Teilnehmenden lesbare Dateiablage nutze ich, um die PDFs meiner Folien, unser Ergebnisdokument (siehe Punkt 11. oben), eine Sammlung wichtiger Links o.ä. zu verteilen.

Ein Sharepoint-Verzeichnis empfinde ich als gute Möglichkeit, an alle Teilnehmenden Dokumente (etwa: die PDFs der Kursunterlagen) zu verteilen, weil ich solche Verzeichnisse über einen gewöhnlichen Office-365 Account anlegen und mit Kennwort geschützt an beliebige Personen verteilen kann. Auf der Client-Seite funktioniert Download oder auch Kollaboration rein aus einem Browser heraus, ohne zusätzlich notwendige Client-Software.

13. Timer für Pausen

In Live-Trainings stehe ich in der Regel zusammen mit meinen Teilnehmer*innen zusammen bei Tee, Kaffee und/oder Snacks – und wir gehen gemeinsam wieder zurück in den Schulungsraum.

Online brauchen wir einen Timer – der das Pausenende ankündigt. Dazu blende ich über meine virtuelle Kamera (siehe Punkt 10. oben) folgendes Pausenbild ein, zusammen mit einem Timer. Aus den vielen verfügbaren Apps habe ich mich für den AS Timer Pro entschieden, primär aufgrund seines minimalistischen Designs und der Möglichkeit, mehrere Timer mit unterschiedlichen Titelzeilen zu verwenden.

14. Web-Timer für Übungsgruppen

Wenn wir Gruppenübungen durchführen, geht das oftmals über getrennte Videokonferenzen (d.h. jede Gruppe bekommt eine eigene BlueJeans oder Zoom-Session). Die Teilnehmenden müssen dann selbständig wieder in die Haupt-Session zurückkehren – und dazu dient der praktische Web-Timer.

Mein Favorit heisst Cuckoo – da kann ich selbst sprechende URLs vergeben, der Service ist kostenfrei und zuverlässig.

Cuckoo Web Timer
Cuckoo Web Timer

15. Kontrollmonitor

Video, Kamera, virtuelle Webcam, iPad, Timer, Folien - ich habe bei den ersten Testläufen schlicht den Überblick verloren, welche dieser Quellen denn jetzt wirklich „am anderen Ende“ (also bei den Teilnehmer*innen meiner Trainings) ankommt.

Daher habe ich einen kleinen Laptop als Kontrollmonitor missbraucht: Darauf starte ich die Video-Konferenz und wähle mich in die entsprechende Session ein. Audio und Video schalte ich auf diesem Laptop natürlich aus, sonst gibt’s üble akustische Rückkopplungen.

Auf dem Foto oben können Sie übrigens den Zeitverzug zwischen meinem ausgehenden Videostream und dem ankommenden erkennen: Unser Pausen-Timer zeigt auf der rechten Seite des Bildes „3:57min“ an, auf dem Kontrollmonitor ist das eine Sekunde verzögert.

Den Kontrollmonitor habe ich über ein Ethernet-Kabel angebunden, um von den (bei uns zuhause leider üblichen) Schwankungen der WLAN-Feldstärke unabhängig zu werden.

16. CO₂-Sensor für Raumklima

Unser Kollege Kofi hat einen schönen Blogpost dazu geschrieben, wie Sie das Raumklima in Perfektion überwachen können, inklusive Dashboard und so… das erschien mir für mein Arbeitszimmer als zu aufwändig, daher habe ich meinen einfachen CO₂-Sensor aufgestellt (und spätestens damit natürlich die maximale Anzahl USB-Ports des Computers überschritten, weshalb dann auch noch ein aktiver USB-Hub fällig wurde.)

Wozu das nötig ist? Schlechte Luft merken Sie natürlich auch selbst – aber jetzt regieren die Zahlen: bei 1000ppm CO₂ in der Luft lässt die Denkfähigkeit nach, das Umweltbundesamt stuft solche Werte als bedenklich ein.

Persönlich empfinde ich schon 800ppm als stickige Luft – und dann heisst es „kurze Pause und lüften“.

Geht das auch einfacher?

Ja, bestimmt. Mein Setup habe ich auf mehrtägige Schulungen mit 10 oder mehr Teilnehmer*innen optimiert. Einen einstündigen Konferenzvortrag können Sie auch mit viel weniger Equipment oder Software halten – da genügt sicherlich Ihre Videokonferenz-Software und ein gutes Mikrofon.

Aber es geht auch aufwändiger: Kolleg*innen schwören auf den green screen, mit dem sich schöne Hintergründe ins Bild mischen lassen, andere haben eine zweite oder sogar dritte Kamera, damit sie Teile ihrer Trainings auch im Stehen aufnehmen können.

Danke…

an Wilfried, Per, Sebastian Schwaiger, Martina Meng, Timo Loist, Lars Hupel, Joachim Prätorius und Robert Glaser für konstruktive Diskussionen, Hilfestellung und Feedback!