This article is also available in English

Seit einigen Jahren bieten viele Unternehmen ihren Angestellten die Möglichkeit, zumindest gelegentlich im Homeoffice zu arbeiten. Mitarbeiter schätzen die zeitliche und räumliche Flexibilität, zum Beispiel bei Arztterminen oder zur Kinderbetreuung. Dennoch wird in vielen Unternehmen Homeoffice bislang meist nur tageweise genutzt und akzeptiert.

Wir arbeiten seit zwei Jahren ausschließlich im Home Office und geben Tipps, wie die Arbeit durch geeignete Methoden und Kommunikationstechniken im Homeoffice produktiv wird und langfristig motiviert.

Als Vorsichtsmaßnahmen zur Verhinderung der Ansteckung und der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus arbeiten nun Menschen für mehrere Wochen ausschließlich im Homeoffice. Die Situation ist für viele ungewohnt und erfordert neue Methoden des Zusammenarbeitens – und der Entwicklung einer entsprechenden Arbeits- und Vertrauenskultur. Richtig angewendet lässt sich im Homeoffice sogar eine bessere Kommunikation erreichen als im Großraumbüro.

Voraussetzungen

Um überhaupt im Homeoffice arbeiten zu dürfen, lockern viele Unternehmen nun firmeninterne Regeln zur Heim- und Telearbeit. Eventuelle Verbote und Einschränkungen entfallen. Zudem müssen die relevanten Informationen und Unterlagen elektronisch vorliegen und Prozesse digitalisiert sein. Wenn wichtige Unterlagen nur im Aktenordner abgeheftet sind, ist eine dauerhafte Arbeit im Homeoffice nicht effizient möglich. Bisherige Investitionen in Digitalisierung zahlen sich damit nun zusätzlich aus.

Zunächst einmal ist ein geeigneter Arbeitsplatz in der eigenen Wohnung notwendig. Das muss man sich – im aktuell ohnehin angespannten Wohnungsmarkt – überhaupt erst leisten können. Ein eigenes Arbeitszimmer ist jedoch auf jeden Fall hilfreich, zum einen um Geräusche, zum Beispiel von den Kindern, in der Wohnung zu minimieren, aber auch um eine klare Trennung zwischen Arbeitsumgebung und Freizeit zu schaffen. Das Ziel dabei ist, Ablenkungsquellen so gut wie möglich zu eliminieren. Nach Feierabend lässt sich die Tür zum Büro beziehungsweise zur Arbeit aber auch einfach schließen – auch mental.

Der Arbeitsplatz muss den ergonomischen Anforderungen gerecht werden – und der Arbeitgeber muss das auch im Homeoffice gewährleisten. Dazu gehören neben dem möglichst höhenverstellbaren Schreibtisch ein geeigneter Bürostuhl und ein großer Monitor.

Zur technischen Infrastruktur gehört ein Laptop, von dem aus sich auf alle relevanten Anwendungen und Daten zugreifen lässt, beispielsweise über ein VPN. Für Videokonferenzen ist die Upload-Geschwindigkeit wichtig, die möglichst über 10 MBit/s liegen sollte.

Gleichberechtigte Kommunikation in Videokonferenzen

Ein wichtiges Werkzeug für die Zusammenarbeit im Homeoffice sind Videokonferenzen. Diese sind gegenüber Telefonkonferenzen unbedingt zu bevorzugen, da Präsenz, Gestik und Mimik zu einer effektiven Kommunikation dazu gehören – auch wenn die laufende Webcam für den Einzelnen anfangs gegebenenfalls als unangenehm empfunden wird.

Das dauerhafte Arbeiten mit einem Headset empfinden viele als unangenehm. Nutzen sollte man daher ein gutes, gerichtetes Mikrofon mit Geräuschunterdrückung. Videokonferenzen im Homeoffice sind damit ohne Headset deutlich angenehmer. Empfehlenswert sind hier Podcaster-Mikrofone.

Neben einem guten Mikrofon ist die Positionierung der Kamera entscheidend. Abbildung 1 zeigt drei unterschiedliche Einstellungen. Ganz links sieht man die Person nur von der Seite; es lässt sich kein Augenkontakt aufbauen. Das passiert, wenn man an einem externen Bildschirm mit dem Videostream arbeitet und der Laptop mit der Kamera daneben steht. Die Person in der Mitte schaut von „oben herab“ in die Kamera – ein typisches Bild bei Personen, die lediglich mit einem Laptop ohne separate Kamera arbeiten. Die dritte Person schaut direkt in die Kamera, und eine Kommunikation auf „Augenhöhe“ ist damit möglich. Dazu wird eine Webcam auf dem externen Bildschirm positioniert.

Auf
Auf „Augenhöhe“ kommunizieren durch die richtige Positionierung der Webcam

Eine gleichberechtigte Kommunikation ist essenziell für erfolgreiches Arbeiten als verteiltes Team. Wer einmal zu einer Vor-Ort-Besprechung per Telefon zugeschaltet war, weiß, dass man nur die Hälfte der Informationen und praktisch keine nonverbale Kommunikation mitbekommt. Diese Informationsasymmetrie führt dazu, dass man nicht gleichberechtigt an der Diskussion teilnehmen kann. Man ist Teilnehmer zweiter Klasse. In einer Videokonferenz ist daher die Disziplin erforderlich, dass sich jeder Teilnehmer separat an seinem Rechner in die Videokonferenz einwählt – auch dann, wenn ein Teil der Gruppe gemeinsam an einem Standort ist.

Teamwork im Homeoffice

Die Gretchenfrage für das Arbeiten im Homeoffice aber lautet: Wie arbeite ich mit meinen Teamkollegen produktiv zusammen? Der Wechsel zur Remote-Arbeit erfordert ein Umdenken und lässt sich nicht eins zu eins von der bisherigen Arbeitsweise im Büro übertragen. Letztlich gibt es zwei grundsätzliche Möglichkeiten der Zusammenarbeit: synchron und asynchron. Beide haben ihre Vor- und Nachteile, und jedes Team muss für sich entscheiden, wie es am besten zusammenarbeiten möchte. Im Folgenden seien beide Varianten mit ihren Vor- und Nachteilen vorgestellt.

Asynchrones, zeitversetztes Zusammenarbeiten

Das Arbeiten im Homeoffice schätzen viele aufgrund der zeitlichen Flexibilität. Jeder kann so arbeiten, wann es am besten zur persönlichen Leistungsfähigkeit und den Lebensumständen passt. Die asynchrone Arbeit schlagen auch David Heinemeier Hansson und Jason Fried im Buch Remote: Office not Required beziehungsweise GitLab in ihrem Guide to Remote Work vor.

Das zeitversetzte Arbeiten erfordert Arbeitspakete, die sich eigenständig bearbeiten lassen. Dazu müssen die Schnittstellen zu den Kollegen und anderen Abteilungen klar definiert sein und wer wann etwas benötigt. Idealerweise liegen Dienstleistungen anderer Abteilungen als Self-Service vor, sodass notwendige Informationen und Prozesse ohne Verzögerung und manuelle Interaktion abgefragt beziehungsweise ausgeführt werden können. Wenn das nicht der Fall ist, dann ist bei der Aufteilung der Arbeitspakete eine klare Abstimmung bei Abhängigkeiten notwendig.

Aus dem Lean Management und der Kanban-Methode kommen die Ideen der Visualisierung von Prozessen und Aufgaben. Die Transparenz hilft auch verteilten Teams bei der Abstimmung und der zielorientierten Wertgenerierung von Produkten. Hier kommen Tools wie Trello und JIRA, aber auch Methoden wie Hill Charts und Getting Things Done zum Einsatz.

Durch die Distanz verändern sich auch Kommunikationsstrukturen: Die Hürde ist höher, mal eben informell mit einem Kollegen etwas zu besprechen. Etabliert haben sich daher themenspezifische Chat-Räume (wie in Slack oder Microsoft Teams), in denen sich mit Kollegen bei Fragen unkompliziert und informell Rücksprache halten lässt. Der Vorteil dieser Art der Kommunikation liegt darin, dass sie den Arbeitsfluss anderer nicht unterbricht – Notifikationen sollten nur mit Bedacht verwendet und aktiviert werden. Vor allem dient es zur Wissensverbreiterung, da die Kanäle firmen- beziehungsweise abteilungsöffentlich sind und interessierte Kollegen mitlesen können.

Die höhere Kommunikationsdistanz und das alleinige Vor-sich-Hinarbeiten kann auch zu Qualitätsproblemen führen, wenn die Abstimmungen mit den Kollegen nicht stattfindet. In der Softwareentwicklung hat sich daher das 4-Augen-Prinzip in Form von Codereviews und Merge-Requests etabliert. Code wird nur dann in die Anwendung übernommen, wenn mindestens eine andere Person die Änderung analysiert, bewertet und freigegeben hat. Gerade die Diskussion führt zu besseren Ergebnissen und trägt enorm zur Wissensverbreitung bei. Ein Nachteil ergibt sich jedoch: Durch diese Wartebeziehungen zwischen dem Erstellen des Merge-Requests und den Reviews kommt es zu mehreren Kontextwechseln, die für Ersteller und Reviewer anstrengend sind und eine zeitliche Verzögerung bedeuten.

Das gravierendste Problem des asynchronen Arbeitens ist auf Dauer wohl die soziale Isolation, da der menschliche Kontakt zu den Kollegen fehlt und Diskussionen in Chats meist nur fachlich oder oberflächlich bleiben.

Gemeinsames, zeitgleiches Arbeiten an einem Artefakt

Wir bevorzugen daher, auch im Homeoffice gemeinsam als Team zu arbeiten. Anstatt dass jeder von daheim aus vor sich hinarbeitet, lässt sich dank Digitalisierung und technologischem Fortschritt ein virtueller Teamraum einrichten, in dem alle gemeinsam auf ein konkretes Artefakt schauen und daran zusammen ergebnisorientiert arbeiten.

Für einen virtuellen Teamraum wird eine Video-Konferenzsoftware mit Screensharing benötigt. Ähnlich wie in einem Teamraum im Büro sollen sich alle jederzeit sehen können. Dazu wird empfohlen die Kamera immer aktiv zu lassen. Insbesondere auch, wenn man mal nicht am Platz oder man abgelenkt ist. In Abbildung 2 sieht man ein Beispiel für so einen virtuellen Teamraum, bei dem gerade drei Personen gemeinsam an einer Software arbeiten. Das konsequente gemeinsame Arbeiten in solch einem virtuellen Teamraum löst das Problem der sozialen und fachlichen Isolation auf Kosten der zeitlichen Flexibilität.

Ein virtueller Teamraum ermöglicht gemeinsames Arbeiten am konkreten Artefakt.
Ein virtueller Teamraum ermöglicht gemeinsames Arbeiten am konkreten Artefakt.

Diese Arbeitsweise kommt aus der Softwareentwicklung und nennt sich Pair Programming bei zwei Personen oder Mob Programming, wenn das ganze Team zusammenarbeitet. Diese Methoden eignen sich allgemein für alle Arten von Wissensarbeit.

Wir sind in einem Softwareentwicklungsprojekt seit zwei Jahren Teil eines verteilten Teams, das Mob Programming als Standardarbeitsweise einsetzt. Dabei teilt immer eine Person den Bildschirm und wartet auf die Anweisungen der anderen Teammitglieder. Man kann sich das wie in einem Auto vorstellen: Die Person, die den Bildschirm teilt, steuert das Lenkrad, während die anderen Personen diskutieren, wohin gefahren werden soll, und wenn das feststeht, entsprechende Anweisungen geben. Ein wichtiges Detail dabei ist, dass alle zehn Minuten eine andere Person den Platz hinterm Lenkrad einnimmt. Jede Stimme findet Gehör.

Der erste Gedanke bei vielen ist: Ist das wirklich effizient? Kurz gesagt: ja, aber zur Begründung müssen wir etwas ausholen. Diese Art der Zusammenarbeit zielt nicht auf maximale Auslastung des Teams, sondern auf eine möglichst hohe Durchlaufgeschwindigkeit. Das bedeutet, dass eine Aufgabe möglichst schnell vollständig erledigt wird, um zum Beispiel Time-to-Market zu optimieren. Das erreicht man, da das Warten bei Rückfragen und Freigaben minimiert wird, wenn alle Wissens- und Entscheidungsträger zeitgleich im virtuellen Teamraum sind. Konkret erfolgen beispielsweise Codereviews spontan, ein gegenseitiges Warten auf Feedback entfällt. Durch das gesammelte Wissen werden deutlich weniger Fehler gemacht, aufwendige Nacharbeiten entfallen. Und häufig kommen Teams durch schnelle Wertschöpfungserzeugung sogar in einen produktiven und hochmotivierenden Flow.

Neben der Durchlaufgeschwindigkeit optimiert diese Arbeitsweise das gemeinsame Lernen und eine ausgeglichene Wissensverteilung. Nach wenigen Wochen oder Monaten verteilt sich bei dieser Arbeitsweise das Wissen derart, dass vorher existierende Wissensmonopole verschwinden. Die positiven Konsequenzen sind drastisch: Jedes Teammitglied kennt die Fachlichkeit und ist auskunftsfähig zu Anfragen der Stakeholder. Es sind keine Übergaben mehr notwendig bei Urlaub, Elternzeit oder Krankheit. Und sowohl Onboarding als auch Offboarding benötigen statt Monaten nur wenige Wochen oder Tage. Interessanterweise funktioniert diese Team-Arbeitsweise aufgrund der Raum- und Geräuschsituation im Homeoffice besser als im Großraumbüro.

Wer mehr zu dieser Arbeitsweise erfahren möchte, dem sei das Buch Remote Mob Programming: At home, but not alone beziehungsweise remotemobprogramming.org ans Herz gelegt.

Ein Team besteht aus Menschen

Egal wie man nun in seinem Team zusammenarbeitet, ob synchron oder asynchron, das Team soll erfolgreich sein. Laut einer Google-Studie zu kritischen Erfolgsfaktoren von erfolgreichen Teams ist der wichtigste Erfolgsfaktor Psychological Safety. Das bedeutet, dass ein Team einen Raum schaffen muss, in dem sich alle sicher fühlen, Risiken einzugehen, und sich verwundbar geben können, ohne dabei verletzt zu werden. Das gilt natürlich, und insbesondere, auch für verteilte Teams. Das jedoch zu schaffen, ist als verteiltes Team schwieriger, wenn man sich nicht persönlich kennt. Mit regelmäßigen persönlichen Treffen des gesamten Teams, beispielsweise einmal pro Monat oder pro Quartal, lässt sich dem jedoch entgegenwirken.

Aufpassen sollte man dabei jedoch, dass alle im Team die Treffen als wertvoll erachten. Leider sind die typischen Teamevents auf eher actionreiche Tätigkeiten wie Rafting, Paintball oder Ähnliches ausgelegt – der Hintergedanke dabei ist, dass man ja dem Team etwas Tolles und Außergewöhnliches bieten möchte. Dabei wird jedoch leicht vergessen, dass das nicht immer etwas für alle ist. So verfehlt man leicht das eigentliche Ziel, das gesamte Team zu stärkeren. Gemeinsame Treffen, die fokussiert sind auf die gemeinsame Arbeit, eignen sich oft deutlich besser, beispielsweise Retrospektiven, Roadmap-Meetings oder auch Workshops zu neuen Techniken oder Fachlichkeit.

Zudem organisieren Firmen, die stark auf Remote-Arbeit setzen, regelmäßige Vor-Ort-Konferenzen. Bei INNOQ finden diese beispielsweise sechsmal im Jahr mit allen Angestellten statt.

Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser

Ein großes Problem beim Arbeiten von Zuhause aus ist, dass Führungskräfte ihre Teams nicht mehr arbeiten sehen und dadurch Zweifel an deren Produktivität bekommen, egal ob diese Zweifel gerechtfertigt sind oder lediglich aus einem Bauchgefühl heraus stammen. Eigentlich sollten lediglich die erreichten Ergebnisse zählen – in der Realität sieht es bei vielen Firmen jedoch anders aus. Das Problem liegt im Gefühl der entgleitenden Kontrolle.

Ein Mittel dagegen ist, die Führungskraft immer durch regelmäßige Einblicke auf dem Laufenden zu halten. Und zwar nicht in einem Daily als Videokonferenz, sondern schriftlich, asynchron und öffentlich. Dabei schreibt jedes Teammitglied am Ende des Tages in einen firmen- oder abteilungsöffentlichen Kanal einen kurzen Bericht über das, was es heute für berichtenswert hält. Das können ein fertig gestelltes Feature, das gestrige Refactoring oder die Beschwerde über ein sinnloses Meeting sein. Zwei Beispielberichte sind in Abbildung 3 zu sehen.

Einblicke in ein Team mittels schriftlicher Kurzberichte am Ende des Tages.
Einblicke in ein Team mittels schriftlicher Kurzberichte am Ende des Tages.

Ein weiteres Mittel, um Vertrauen zu schaffen, ist recht simpel: verlässlich sein. Wenn Führungskräfte das Gefühl haben, ihre Teams halten ihre Versprechungen und Termine zuverlässig ein, dann entsteht auch Freiheit für die Teams.

Danke an unsere Kollegen Stefan Tilkov, Tammo van Lessen und Dr. Gernot Starke für ihr Feedback zu einer früheren Version dieses Artikels.

Fazit

Die Arbeit im Homeoffice kann, wenn sie richtig angegangen wird, produktiver sein als im Büro, selbst für Teams – jedoch nur mit einem geeigneten Arbeitszimmer, der richtigen Hard- und Software sowie der passenden Arbeitsweise. Belohnt wird man damit, weniger zu pendeln oder etwa mit dem gemeinschaftlichen Abendessen mit dem Partner oder der Familie. Dennoch bleiben Herausforderungen wie kein gemeinsames Mittagessen und fehlender Flurfunk. Letztlich wird es immer eine Abwägungssache des Einzelnen und des Teams bleiben. Aber vielleicht ist jetzt genau die Zeit, das Homeoffice mit dem ganzen Team auszuprobieren. Und wer weiß, vielleicht läuft das Homeoffice dem Büro in Zukunft den Rang ab.