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Drei Wochen nach Einstieg bei INNOQ schon einen kleinen Einblick in das Leben von vielen der rund 150 neuen Kolleg*innen zu bekommen ist für mich was neues und auch ein Zeichen für Offenheit. Zwei Tage INNOQcon-remote edition haben meine ursprüngliche Abneigung gegen Online-Konferenzen ins Wanken gebracht.
Ich arbeite seit mehr als zehn Jahren gern örtlich flexibel – das bedeutet für mich eine Mischung aus Office, von zu Hause, vor Ort (an anderen Standorten der Organisation, bei Partnern oder auf Workshops-Locations) und auch mobil (Bahn, Flugzeug und die dazugehörigen Aufenthalsorte; im Auto nur als Beifahrer oder auf Raststätten). Veranstaltungen, insbesondere Konferenzen, Trainings oder Meetups bevorzuge ich aus vielen Gründen in persona. Dies war auch bisher nicht immer möglich, sei aus Zeit-, Budget- oder anderweitigen Gründen aber der Remote-Modus nie eine gleichwertige Alternative.
Tag 1 – Do the evolution
Wie so viele habe ich die letzten Wochen primär in Video-Calls verbracht (beruflich und auch privat, letzeres stark abnehmend), da war die Aussicht auf einen weiteren Online-Marathon wenig verlockend, wo doch die Events einer der Gründe sind, die ich an INNOQ reizvoll finde. Viele Sessions (Vorträge, Open Spaces und Lightning Talks in mehreren Tracks) und ebenso Pausen später ist das erste Resüme: Es hat echt Spaß gemacht, ich hab viel neues gelernt (es gibt rosa Steine in einem sonst tendenziell monochrom grauen Star Wars Lego Set und wie man Software Analytics mit Popkulturreferenzen aus den 80er & 90er erklären kann) & ausprobiert – und es war echt anstrengend, wie jeder andere Konferenzbesuch auch.
Die Organisation war großartig – engagierte Vorbereitung & Flexibilität, auf Feedback wurde nach Möglichkeit rasch reagiert (da die Verwendung des Begriffs “agil” heutzutage schon inflationär ist, verzichte ich auf diese Attributierung). Die Kolleg*innen sind offen für Ideen deren Umsetzung oft nur wenige Minuten (oder Klicks) gedauert hat. Gemeinsam und vernetzt zusammen arbeiten ist wahrscheinlich im IT-Umfeld leichter da hier die fachlichen Fähigkeiten sehr hilfreich sein können, dennoch gehört noch mehr dazu – Spaß und Interesse an Technologie & Experimenten, Offenheit für Neues. Ein virtuelles Dorf oder auch eine Hotellobby, in der man sich mit anderen unterhalten kann erinnert vielleicht auf den ersten Blick an die frühen 2000er Jahre, doch die Technologie hat sich weiter entwickelt. Beispielsweise ist räumliche Distanz in der virtuellen Welt von Mozilla Hubs akustisch wahrnehmbar. Auch parallele Kommunikation auf unterschiedlichen Kanälen (primär Zoom & Slack, sekundär zB auch Mozilla Hubs, Discord, Miro, Houseparty, Sococo) verlangt Aufmerksamkeit und Übung, denn man kann schon mal die Übersicht verlieren bzw eine Nachricht übersehen.
Nach rund acht Stunden vorwiegendem Sitzen noch ein schweisstreibendes Tabata-Workout, ebenfalls virtuell (mit oder ohne Kamera, ganz nach belieben) unter Anleitung und Ansporn eines beachtlich sportlichen Kollegen, der alles gefühlt in doppelter Geschwindigkeit vorzeigte – und die zahlreichen Teilnehmer wirkten danach fertig & zufrieden.
Natürlich gab es auch ein Abendprogramm – wahlweise Hotelbar, Disco, Spiele unterschiedlicher Art oder ein Pub-Quiz zur Auswahl. Und auch hier war ich hin und her gerissen zwischen all den Optionen. Brettspiele waren für mich dann die Wahl der Stunde, zuerst kollaborativ die Verbreitung von Epidemien eindämmen um eine Pandemie zu verhindern (erfolgreich dank einem strategisch und rational denkendem Team) und dann ein bisschen kollegiale Sabotage beim Gold schürfen, Gambler’s Fallacy inklusive. So habe ich nicht nur neue Spiele kennen gelernt sondern auch einen kleinen Eindruck von den unterschiedlichen Denkweisen der Mitspieler*innen bekommen.
Tag 2 – Need to know
Auch Tag 2 war abwechslungsreich, wieder einige Vorträge (von Accessibility übers Bierbrauen bis zur DSGVO alles an einem Vormittag) und Open Spaces, die den Vorteil hatten, dass man zumindest theoretisch viel mehr Räume belegen konnte. Auch das Wechseln zwischen den einzelnen Sessions & Räumen ist einfacher online, man kommt am Weg allerdings nicht am Kaffeeautomaten vorbei. Fürs Catering galt Selbstversorgung, zusammen essen konnte man dennoch oder auch nur am gemeinsamen Mittagstisch-Call teilnehmen (Suppen und weiche Lebensmittel sind übrigens deutlich geräuscharmer als Knackiges wie Krustenbrot), ebenso wurde man optisch oder akustisch auf diverse Spaziergänge mitgenommen. Es war durchgehend sonig, leicht erkennbar an den Hintergründen im Videocall befanden sich mehrere Personen auf dem Balkon bzw Terasse, im Garten oder eben unterwegs. Wie eingangs erwähnt habe ich bei einigen Kolleg*innen die Wohnräume, Partner, Kinder und/oder (tierische) Mitbewohner gesehen, auch bei den Zoom-Hintergründen waren viele kreativ – natürlich war Video fakultativ.
Als Vortragender (Einstandsvorträge gehören ebenso zur INNOQ-Kultur) fehlte mir am meisten das unmittelbare wahrnehmbare Feedback des Publikums vom Podium (mehrere Bildschirme mit Notizen & gleichzeitig Zoom sind für mich suboptimal, der Fokus fehlt) – die Atmosphäre (Visuelles, Geräuschkulisse und mehr) in einem Saal lässt sich nicht übertragen, schon gar nicht bei der Anzahl an Teilnehmer*innen. Die Materialien für die Sessions lassen sich leicht wiederverwenden, erstellte Whiteboard oder Ähnliches lassen sich als Vorlagen speichern. Zu Beachten ist jedoch dass die Kolleg*innen unterschiedliche End- & Eingabegeräte benutzen – von Smartphone über Tablets und Notebooks bis hin zu großen Monitoren bzw. TV-Geräten, sowie Screenreader und VR-Headsets (diese Aufzählung umfasst nur jene Geräte, die ich mitbekommen habe). Nicht jedes Tools ist für alle gleich gut geeignet, auch sind nicht alle Betriebssysteme und Browser kompatibel, der Support untereinander hat aber erwartungsgemäß gut funktioniert. Das Aufräumen (oder Archivieren) nach den einzelnen Sessions ist ebenfalls einfacher – Chats & Whiteboards lassen sich exportieren, einige Videos von verpassten Sessions werde ich wohl noch in den nächsten Tagen nachsehen und vielleicht auch nochmal die eine oder andere Konversation nachlesen – denn auch hier der große Vorteil, das man die Konversation zu den Sessions auch noch nachträglich intern verfügbar hat. Ergänzend zu Slidedecks (und manchmal auch Recordings) kann man hier weitaus mehr Informationsgehalt gewinnen im Vergleich zu Keynotes & anderen Konferenzvorträgen auf den gängigen (Video)Plattformen.
Anzumerken ist vielleicht noch, dass ich keine etwaigen Betreuungspflichten habe und daher im häuslichen Umfeld nicht so leicht abzulenken bin; meine Nachbarn wurden auch nicht 2 Tage lang dauerbeschallt da ich gewohhnheitsmäßig Kopfhörer trage. Geeignetes Equipment ist natürlich vorteilhaft – eine brauchbare Webcam musste ich mir von Freunden ausborgen (kurzfristig war in den letzten Wochen trotz aller Bemühungen keine mehr erhältlich), ein Mikrofon und die schon erwähnten Kopfhörer. Dank Bluetooth war auch mein Bewegungsdrang und die regelmäßigen Gänge in die Küche zwecks Versorgung selbst während der Sessions kein Problem. Ein Tablet ist ebenso eine wertvolle Ergänzung, für Whiteboard-Sessions oder auch mal dem rein passiven Zusehen & -hören eines Vortrags auf der Couch.
Rearviewmirror
Ich hatte die Gelegenheit mit mehreren Kolleg*innen schnell und unkompliziert ins Gespräch zu kommen, alle hätte ich wohl auch vor Ort innerhalb der 2 Tage nicht kennen gelernt. Natürlich fällt es auch bei einem Remote Event auf, dass Personen unterschiedlich Persönlichkeiten haben und manche präsenter sind als andere – aufgeschlossen wirken alle auf mich und ich freue mich darauf zu einem späteren Zeitpunkt und bei einer anderen Gelegenheit auf mehr von ihnen zu treffen.
Online-Konferenzen sind für mich auch jetzt immer noch keine Alternative, viele für mich essentielle Komponente lassen sich (noch) nicht ins Virtuelle übertragen. Als (schlechten) Ersatz will ich sie dennoch nicht sehen, vielmehr als aufgrund unterschiedlicher Aspekte wie Reisezeit & Umweltverträglichkeit sinnvolle Ergänzung mit beachtlichem Potential, wenn man offen ist weiter zu experimentieren und zu lernen. In dieser doch recht intensiven Art wie die INNOQcon-remote edition stattgefunden hat würde ich jedoch bevorzugt auf eine 1-Tages-Format (inklusive Abend) wechseln.
Das einzige Negative der letzten 32 Stunden ist, dass mir eine meiner handgemachten Kaffeetassen zu Bruch gegangen ist beim etwas zu energischen Kaffee holen und auch dass ich morgen noch das Küchenchaos beseitigen muss – zum Glück ist ja Wochenende.