Shownotes & Links
Transkript
Till Schulte-Coerne: Herzlich Willkommen zum innoQ-Podcast. Heute einmal mit einem nicht-technischen Thema.
Stefan Tilkov: Wenn das mal was wird.
Till Schulte-Coerne: Und mit einem nicht-architektonischen Thema. Ohoh, jetzt haben wir mittlerweile alle verloren wahrscheinlich. Alle, die noch da sind: heute geht es ausnahmsweise mal um uns. Wir haben lange miteinander gestritten, ob es wirklich sinnvoll ist, einen solchen Podcast aufzunehmen, weil wir eigentlich unseren Podcast nicht als Werbemedium verballern wollen, sondern der Podcast tatsächlich auch Informationen beinhalten sollte, eigentlich. Aber wir denken, dass es eigentlich möglich ist und deswegen heute mein Gast: Stefan Tilkov.
Stefan Tilkov: Hallo Till.
Till Schulte-Coerne: Du hast ja schon viele Leute interviewt, hast dich selber glaube ich nie vorgestellt. Deswegen jetzt einmal die Chance, überhaupt zu sagen, wer du eigentlich bist.
Stefan Tilkov: Ja, meine Name ist Stefan Tilkov, das hast du schon gesagt. Ich bin einer der Geschäftsleiter hier bei innoQ in Deutschland. Es gibt noch eine innoQ Schweiz, deswegen sage ich das mit Deutschland. Das bedeutet, so sage ich es immer gerne, dass ich ungefähr die Hälfte meiner Zeit mache, was sonst keiner machen will und die andere Hälfte meiner Zeit das tue, wozu ich Lust habe. Das trifft es auch ganz gut, ist eine gute Mischung, gute Bezeichnung meiner Tätigkeit.
Till Schulte-Coerne: Ja, der Podcast heute soll ein bisschen zum Thema unserer Firmenkultur eigentlich gehen. Das soll das Hauptthema sein, aber um das ein bisschen verstehen zu können, brauchen wir wahrscheinlich ein paar Infos, was die innoQ eigentlich macht, wo sie eigentlich her kommt, wie viele wir eigentlich sind vielleicht. Das weißt du wahrscheinlich genauer als ich.
Stefan Tilkov: Ok. Also wir sind jetzt etwa über 60 in Deutschland. Wir sind 15 Jahre alt. Wir machen Architektur und Entwicklung. Ist uns beides sehr wichtig. Und wenn wir das so versuchen, in Kennzahlen reinzupressen, sagen wir mal, dass wir ca. 20% unserer Zeit reines Blabla-Consulting machen, stehe ich zu. D.h., strategische Beratung und Dinge, bei denen keine Software am Ende raus kommt, sondern vielleicht irgendwas geändert wird. Und die anderen 80% sind eher entwicklungslastig. Und die wiederum teilen sich ungefähr halbe-halbe auf in Dinge, bei denen wir irgendwo vor Ort bei einem Kunden unterstützen und in Dinge, bei denen wir komplette Sachen realisieren, komplette Werke bauen. Und das machen wir dann on-site und off-site und viel beim Kunden und sonst wo. Also in vielen verschiedenen Spielarten.
Till Schulte-Coerne: Das ist ja jetzt erstmal auch nicht besonders ungewöhnlich, ne?
Stefan Tilkov: Nö, ist es nicht. Also in der Beziehung gibt es ganz viele Firmen, ähnlich zu uns. Wir behaupten auch nicht, dass wir die absolut Einzigen sind, die in diesem Markt da drin wären. Wir haben halt relativ früh – um jetzt quasi die Marketing-Botschaft zu beginnen – wir haben relativ früh versucht, ein paar Dinge so zu machen, wie wir sie richtig fanden. Liegt ein bisschen daran, dass wir, als wir gegründet haben, vorher in anderen Unternehmen gearbeitet hatten, ein paar Jahre in unterschiedlichen Rollen, und dabei vor allem viele Dinge mitgenommen haben, die wir selber nie so machen wollten. So wie man sich vielleicht vornimmt, als Elternteil niemals zu den Kindern so zu sein oder so. Weiß nicht, ob wir das schaffen, aber es waren so ein paar Dinge. Das fängt bei innoQ bei irgendwelchen Banalitäten an, wie z.B. bei der Diskussion darüber, ob ich jetzt acht oder vier Megabyte Hauptspeicher in meinen IBM-PC bekomme. Also so Größenordnung, heute mal Tausend oder so. Solche Dinge z.B. niemals zu diskutieren, zu sagen, das ist totaler Blödsinn daran zu sparen, weil die Demotivation, die man erzeugt, wenn man irgendwo 200€ an einem Stück Hardware spart, die ist es auf gar keinen Fall wert. Deswegen macht man da lieber einfach “Bestell dir, was du willst.” und das geht deutlich besser.
Till Schulte-Coerne: Wobei es ja nicht die einzige Motivation von einer 1000- Mann-Firma ist, zu sagen, ihr kriegt alle nur “Drei-Buchstaben-Abkürzung” Laptops, aus dem und dem Grund, weil sie einfach zu warten sind oder die Ersatzteile billiger sind, sondern die Motivation ist ja eigentlich, dass man das auch betreiben können muss und ähnliches.
Stefan Tilkov: Das stimmt ja auch alles. Also ein gutes Beispiel: es gibt ganz viele Dinge, bei denen es eigentlich in gewisser Weise vernünftiger ist, was anderes zu machen. Aber was man vergisst ist, dass man die Dinge bewerten muss und bei der Bewertung dieser Dinge auch diese Währung “Motivation” oder “Demotivation” bewerten muss. Dann bewerte ich halt: okay, der Administrator hat weniger Arbeit, der muss jetzt nur noch ein Ding machen und vielleicht ist sogar meine Business-Continuity besser. Stimmt alles, kann man alles schön rechnen, warum das so ist. Und wenn ich dann jetzt nackte, harte Excel-Kalkulation mache und mich in einer Runde mit Leuten an einen Tisch setze, wo genau das im Mittelpunkt steht, kommt natürlich heraus, dass es viel viel günstiger ist, wenn alle dieselbe Hardware benutzen. Auf der anderen Seite nervt es halt und man kann gar nicht bewerten, wie schlimm es ist, wenn man genervt ist. Wenn ich auf dem Flur stehe und mich mit meinem Kollegen darüber aufrege, wie bescheuert mein Chef ist oder wie bescheuert die Firma ist, bei der ich da arbeite oder der Kunde, bei dem ich eingesetzt werde, das sind alles extrem schlechte Zeichen oder Zeichen für extrem schlechte Entwicklung, die man in Geld überhaupt nicht bemessen kann. Das ist, wie gesagt, überhaupt nichts Besonderes, also keine tolle Erkenntnis, aber ein Beispiel für was, das wir halt versuchen, anders zu machen.
Till Schulte-Coerne: In der Konsequenz haben wir alle Betriebssysteme, die denkbar sind.
Stefan Tilkov: Wir haben alles. Jaja, alles. Ganz schlimm. Aber es bedeutet z.B., dass es für gewisse Dinge – wenn man das von Anfang an geklärt hat, wir haben z.B. keine Software irgendwo eingeführt, die man nur auf einem Windows- oder auf einem Mac-Rechner nutzen kann und die alle trotzdem brauchen. Also wir haben viele Software die nur auf einem der Systeme läuft, aber nichts, was man haben muss. Weil das bedeuten würde, dass man aus den falschen Gründen sowas auswählen muss. Die armen Kollegen, die 100% ihres Daseins mit einem Linux- Laptop verbringen, die wissen schon selbst, welches Schicksal sie da gewählt haben. Da müssen sie halt durch, meins ist das nicht, aber Geschmackssache. Jeder, wie er es für richtig hält.
Till Schulte-Coerne: Der Apfel dominiert bei uns.
Stefan Tilkov: Der Apfel dominiert, wobei es ist vielleicht schon ein Gegentrend zu erkennen, ich weiß nicht genau.
Till Schulte-Coerne: Ja, vielleicht beginnt der langsam.
Stefan Tilkov: Es ist total uncool, diesen Mainstream-Rechner mit dem Apfel drauf zu benutzen.
Till Schulte-Coerne: Ja genau. Was würdest du denn noch denken, was uns vielleicht von anderen unterscheidet?
Stefan Tilkov: Also wir haben eine sehr starke Technologiemotivation. Dazu stehen wir auch. Wir sind zwar durchaus häufiger in bestimmten Branchen als in anderen Branchen tätig. Also es gibt dann viel solche Dinge wie Telekommunikation, Versicherung, Banken, vielleicht Logistik, E-Commerce. Aber das sind so typischerweise informationslastige Branchen, da ist es relativ naheliegend, dass die eher Bedarf haben, an Softwareentwicklung und Softwarearchitektur. Nicht, weil wir jetzt so tolles Know-How in einer dieser Branchen hätten, weil wir jetzt Banker wären. Würden wir auch nie behaupten.
Wir sind technologisch motiviert und technologisch interessiert und legen da sehr, sehr viel Wert drauf. Nicht, um uns selbst zu verwirklichen, indem wir irgendwas irgendwo machen dürfen, was wir immer schon mal ausprobieren wollten und jetzt haben wir endlich die Chance das irgendwo reinzuwürgen, wo es dem Kunden gar nicht hilft. Sondern eher in dem Sinne, dass wir halt sagen, wir suchen gezielt nach diesen Dingen, wir sind ehrlich darüber, wir treffen ehrliche Aussagen darüber, wie viel Erfahrung wir mit irgendwas haben und wollen spannende Herausforderungen, wollen in diesem Umfeld dann sowas einsetzen, das ist alles in Ordnung. Und wollen vor allem eine gute Arbeit machen. Wollen Arbeit machen, auf die wir uns später was einbilden können. Das, was ich halt eigentlich, was man sich – was so schwierig für andere Leute nachzuvollziehen ist, als Techniker eigentlich so wünscht. So soll es zumindest sein. So ziehen wir auch – das kannst du selber bestätigen, glaube ich – wir ziehen halt Leute an, die technisch interessiert sind, die sowas gerne machen, die vielleicht vorher der Einäugige unter Blinden waren. Oder das Gefühl hatten, das ist zwar eine zeitlang fürs Ego total toll, wenn man immer der ist, den alle um Rat fragen, aber irgendwann würde man selber auch gerne mal ein bisschen wen anders fragen oder man würde gerne auch mal Kontra bekommen und einfach mal hören, das ist totaler Schwachsinn, was du da erzählt hast, das geht mit was anderem viel besser.
Till Schulte-Coerne: Die Krawall-Freude ist hier sehr hoch.
Stefan Tilkov: Sehr, sehr hoch. Bei allen Themen. Das ist auch sowas, ich bin der, der vielleicht am meisten sein Gesicht oder seine Stimmbänder in irgendwelche Mikros hält und vielleicht viele Artikel und Bücher und sonst was produziert, aber erstens bin ich bei weitem nicht mehr der Einzige bei uns. Das machen mittlerweile ganz viele. Und selbst wenn, man erkennt ganz deutlich, dass ich persönlich hier keinesfalls die Firmenmeinung vorschreibe. Also jedwede Illusion, die ich mir da jemals gemacht habe, ist längst weg. Also wir machen alles Single-Page-Apps und Webservices und BPM und weiß der Geier. Lauter Dinge, die jetzt auch überhaupt nicht meine Sachen werden, aber bei uns ist nicht alles REST und Roca und sonst irgendwie. Wir beide sind jetzt vielleicht die falschen, um darüber zu diskutieren. Also Meinungsvielfalt ist uns da auch sehr wichtig.
Till Schulte-Coerne: Eine Sache, die noch sehr raussticht, für mich immer persönlich, wenn ich einen neuen Kollegen getroffen habe, war immer die Sache mit den Events. Also das kann ich ja einfach kurz mal erzählen, weil ich ja der quasi normale Mitarbeiter bin. Die Firma fährt sechs Mal im Jahr auf Events, komplett geschlossen mit allen Mann und Frau. Und schließt sich letztenendes für zwei bis drei Tage irgendwo in ein Hotel ein. Wir hören dann interne Vorträge von eigenen Leuten, von externen Speakern. Michael Nygard ist mir da noch als Gast-Speaker…
Stefan Tilkov: Markus Völter war mal da, Steve Vinoski war mal da.
Till Schulte-Coerne: Ja Steve. Michael Hunger…ganz groß in Erinnerung. Und jetzt gerade haben wir unser Programmierevent hinter uns gebracht, wo wir gemeinsam eine Programmieraufgabe gelöst haben. Was ist eigentlich die Motivation dahinter, die vielleicht geschäftsmännisch motivierte Motivation hinter sowas, das zu machen? Also der Projektausfall z.B. von den Leuten, die dann nicht beim Kunden vor Ort sind, ist ja enorm.
Stefan Tilkov: Ja, es ist – auch wichtig zu sagen – es ist Arbeitszeit. Also keine Wochenendgeschichte oder Abendgeschichte. Und eben auch nicht der ein Mal jährliche Betriebsausflug. Also das gibt’s halt häufig, was wir machen, glaube ich, nicht so oft. Die Motivation ist, es hat viele Gründe. Also das eine ist, wir sind sehr verteilt, wir haben mehrere Standorte. Und selbst an diesen Standorten sind die Leute nicht, sondern sind irgendwo, arbeiten zu Hause, arbeiten manchmal im Büro, arbeiten manchmal beim Kunden, sodass diese Events die Gelegenheit sind, sich mal zu sehen und sich miteinander auseinander zu setzen und vor allem mal gemeinsam was zu machen. Es ist also wahnsinnig wichtig, dass man überhaupt mal weiß, wie die Leute aussehen und was die für Stärken und Schwächen haben.
Till Schulte-Coerne: Und das bei 60 Mann.
Stefan Tilkov: Es sind echt schon eine ganze Menge Leute mittlerweile geworden. Ja, also das ist der erste Motivator. Es macht einen Höllenspaß, also bestimmt nicht jedem immer, es gibt auch mal einen, der sagt: ich habe überhaupt keine Lust jetzt irgendwo hin zu fahren. Aber so im Großen und Ganzen glaube ich, dass es eigentlich allen sehr, sehr viel Spaß macht. Sind immer sehr beliebt, es gibt sehr wenig Absagen, die meistens auch nicht freudig, sondern sehr zähneknirschend sind. Also wir haben sehr viel Spaß daran, wir glauben, es bringt viel in Sachen Socialising und sich gegenseitig kennenlernen. Es bringt uns wahnsinnig viel bei der persönlichen Weiterentwicklung, weil wir dann eben, auch wenn man vielleicht gerade in einem Projekt fest steckt, was technisch nicht so herausfordern ist – die gibt’s bei uns natürlich auch – oder wenn das Projekt relativ lange läuft und vielleicht am Anfang total herausfordernd war, sich dann aber vielleicht irgendwann eingependelt hat, dann sind die Events eine tolle Gelegenheit, sich mit den anderen mit völlig anderen Dingen zu beschäftigen. Das Programmierevent ist ein gutes Beispiel, das war gerade. Da gab es – die konservativste Gruppe war die, die das mit Scala und Akka gemacht hat. Alles andere war dann – also node.js ist jetzt vielleicht auch noch konservativ, aber es gab eine Haskell-Gruppe und eine CommonLisp-Gruppe. Das ist auch wieder sehr innovativ. Und eine Erlang-Truppe. Also alle möglichen, die mit irgendwas experimentiert haben, mit dem sie mehr oder weniger Erfahrung hatten. Solche Dinge helfen uns halt, das ein bisschen breiter zu tragen, mitzubekommen, wer sich da schon tiefer mit beschäftigt hat, wer größeres Know-How hat. Wir haben mittlerweile ein wirklich beeindruckendes Erlang-Know-How bei den Leuten, die einfach da Sachen, Open Source Projekte gemacht haben. Ein Kollege hat sein Sabbatical damit verbracht, hat sechs Monate an so einer Geschichte rumgeschraubt und eine sehr coole Erlang-Plattform für Heimautomatisierung aufgebaut. Müssen wir auch mal vorstellen in einem Podcast. Also es gibt viele solcher Dinge und es macht eine Menge Spaß und lohnt sich. Warum tun wir das, warum sind wir der Meinung, dass es sich vom Geld her lohnt? Das ist auch so ein – glaube ich – eine wiederkehrende Erkenntnis, die ich immer wieder verkünde oder immer wieder so von mir gebe. Letztendlich ist alles immer wirtschaftlich motiviert und das darf es auch sein. Das ist gar nicht schlimm. Es ist halt wirtschaftlich langfristig motiviert und die Events helfen uns dabei, eine Enge Bindung zu den Leuten aufzubauen und die halten die Leute einfach länger in der Firma. Das ist eine ganz harte wirtschaftliche Rechnung. Wenn die Leute Spaß haben und Spaß in ihrem Job haben und sich weiter entwickeln können, wie das in einem Projektgeschäft, das wir machen, nicht alleine der Fall sein wird, das kann es gar nicht sein. Wenn wir diese Chance bieten, sind die Leute einfach motivierter, länger bei dem Laden zu bleiben. Niemand muss ewig in einer Firma bleiben, auch bei uns nicht. Es ist ganz normal, dass es auch mal Fluktuation gibt, aber tendenziell ist der Zufriedenheitsgrad sehr hoch und wenn man rein betriebswirtschaftlich überlegt, wie teuer es ist, einen neuen Mitarbeiter überhaupt erstmal zu gewinnen und dann einzuarbeiten, hat sich das zehn Mal gelohnt. Es kostet uns jedes Jahr, das haben wir mal ausgerechnet, fast 10% des Jahresumsatzes. Also das ist schon eine erhebliche Summe. Das ist vor allem eben der Arbeitsausfall, wenn die ganze Firme 16/18 Tage im Jahr, mit Nebenkosten und was das alles drin ist. Aber es ist unserer Überzeugung nach das Ganze absolut wert.
Till Schulte-Coerne: Traditionelle Schweiz-Events werden sicherlich auch nicht gerade günstig sein.
Stefan Tilkov: Genau, die sind noch etwas teurer. Ja, das machen wir auch. Also es gibt halt diese drei-Tages-Events, haben wir auch schon gesagt: unterschiedliche Längen. Wir machen normalerweise vier Mal im Jahr zwei Tage, ein Mal im Jahr gibt es ein drei Tage Weit-weg-Event irgendwo. Da waren wir schon in – ich weiß nicht.
Till Schulte-Coerne: Barcelona.
Stefan Tilkov: Barcelona und Koppenhagen und Prag.
Till Schulte-Coerne: Letztes Jahr in Berlin auf der GOTO.
Stefan Tilkov: In Berlin auf der GOTO. Die ganze Firma.
Till Schulte-Coerne: Das ist auch was, was relativ selten auftaucht. Also wir haben keine – wie soll ich sagen – Weiterbildungs-, Fortbildungsbudgets für die einzelnen, voraus die sich dann überlegen können, ob ich jetzt z.B. auf irgendeine Konferenz gehe z.B. Das wäre ja eigentlich so der klassische Gegenentwurf. Wieso habt ihr euch dagegen entschieden?
Stefan Tilkov: Also es gibt sowas schon auch, es gibt durchaus auch bei uns Leute, die schon mal auf eine Konferenz gehen. Aber es ist nicht das, was bei uns der normale Weg wäre. Sondern die Leute bemühen sich halt, auf einer Konferenz zu sprechen. Das ist für alle Beteiligten eigentlich der bessere Weg. Unsere Erkenntnis: wenn man sich mit etwas – also gerade wenn man einen Vortrag hält auf irgendeiner Konferenz und das noch relativ früh, so die ersten Male macht, hat man wahnsinnig Muffensausen und tierische Panik, dass man das nie im Leben hinbekommt und sich furchtbar blamiert. Und investiert deswegen wahnsinnig ins Übermaß an Vorbereitung, damit man sich bloß sicher fühlt. Das ist eine gute Sache. Man lernt dabei, sich wirklich mit der Materie auseinander zu setzen.
Till Schulte-Coerne: Heißt das im Umkehrschluss, dass man sich nicht mehr vorbereitet, wenn man das länger schon gemacht hat?
Stefan Tilkov: Würde ich nie behaupten. Sowas ist völlig ausgeschlossen. Nee, also es kostet immer Zeit, glaube ich. Es ist immer eine aufwendige Sache, Vorträge zu machen. Klar, wenn man denselben Vortrag jetzt zehn Mal gehalten hat, dann ist das zehnte Mal vielleicht nicht mehr so spannend. Aber einen neuen Vortrag zu machen, ist für jeden immer eine anstrengende und aufregende Sache. Und trotzdem, das bringt eine Menge, weil man sich mit der Materie beschäftigt, weil man sich persönlich weiter entwickelt – glaube ich stark dran – und es führt eben dazu, dass die Leute Networking betreiben können, sich untereinander kennen lernen, andere Sprecher anderer Firmen kennen lernen. Wir sind ja nicht die einzige Firma, es gibt auch andere gute Firmen – natürlich ist keine so gut, wie unsere – ähnlich gute Firmen, sodass man da oft auch eine Menge von profitieren kann. Das ist eigentlich ideal für uns, wenn wir das so machen. Generell, wann immer wir was schaffen – das merkt man ja jetzt auch bei uns, wir beide sind aktuell, etwas mehr als drei Viertel der Marketingabteilung, was eine schräge Angelegenheit ist. Wir sind eine ganz schön komische Marketingabteilung, das muss man klar sagen, weil wir das halt als Teil unserer Tätigkeit machen. Und wann immer wir sowas machen, versuchen wir es halt über Inhalte zu tun und dazu gehört das eben auch. Passt ja ganz gut zusammen. Inhalte einerseits selbst zu produzieren, weil man sich persönlich damit weiter entwickelt und andererseits eben auch gutes über die Firma zu erzählen. Ist eigentlich ein relativ offensichtliches Rezept, das man zur Nachahmung empfehlen kann.
Till Schulte-Coerne: Relativ ehrlich, so unterm Strich.
Stefan Tilkov: Ich denke schon ja.
Till Schulte-Coerne: Wir haben ja eben schon über die Warenbeschaffung quasi geredet. Es gibt ja auch immer diesen lustigen Effekt, wenn ein neuer Mitarbeiter anfängt und man ihm sagt: Hier, das ist übrigens unser Amazon-Login.
Stefan Tilkov: Genau, das ist der Username und das Passwort für den Amazon- Login.
Till Schulte-Coerne: Genau, bestell was immer du möchtest. Also üblicherweise, ich gucke da normalerweise nicht rein, was meine Kollegen bestellen. Was passiert denn eigentlich, wenn man als Geschäftsführer seine Kreditkarte bei Amazon einträgt und einfach seinen Kollegen sagt, bestellt doch, was auch immer ihr wollt.
Stefan Tilkov: Ja nix. Also die Erfahrung ist, dass eigentlich erstaunlich wenig Dinge passieren, mit denen man nicht gerechnet hat. Das Schlimmste, was passieren kann ist, dass jemand ein Buch bestellt und nicht mitbekommen hat, dass das der Kollege vorgestern auch schon bestellt hat. Ich glaube, das war die größte Katastrophe, die wir jemals hatten. Wo man sagen muss, willst du es wirklich nochmal haben, also hast du es mit Absicht zwei Mal bestellt oder wolltest du…
Till Schulte-Coerne: Eigentlich blendet Amazon das ja auch extra ein.
Stefan Tilkov: Ja, also ich glaube das war wirklich das Schlimmste, was passiert ist in 15 Jahren, die wir das jetzt machen. Das funktioniert bei uns hervorragend. Ich weiß nicht, ob das überall funktionieren würde. Aber in unserer Branche, wo man – wie sagt man so schön Neudeutsch – mit Knowledge- Workern zu tun hat, das sind hier alles die Leute, denen man einen gewissen gesunden Menschenverstand zutrauen kann. Und wenn jemand anfängt, sich über den Firmen-Amazonaccount private Dinge zu bestellen oder Bestellungen auszulösen, bei denen es offensichtlich eine kluge Idee wäre, vorher mal Rücksprache zu halten. Also keine Ahnung, du bestellst jetzt eigenmächtig für die Toilette einen 55" Fernseher, das ist vielleicht ja eine gute Idee, wir können drüber reden, aber du würdest wahrscheinlich nicht auf die Idee kommen, das zu tun, weil du das Gefühl hättest, da muss man mal kurz die Hand heben und fragen: “Ist das eine gute Idee? Sollen wir das nicht mal machen? Ist doch eine klasse Idee.” Aber das sind eben wirklich Ausnahmefälle, wo die Rücksprache überhaupt nötig ist und im Umkehrschluss, es gibt das praktisch nie, dass jemand etwas bestellt oder irgendwas macht, wofür er nachher oder sie nachher bestraft würde, weil Kompetenzen überschritten würden. Ganz gruselige Vorstellung.
Till Schulte-Coerne: Würdest du uneingeschränkt an jeden vergleichbaren Geschäftsführung weiter empfehlen, dieses Geschäftsmodell?
Stefan Tilkov: Ich kann das nicht genau sagen. Ich habe auch schon, ich habe mit einem sehr guten Bekannten länger unterhalten, bei dem die Firmenkonstellation eine andere war, andere Leute in dem Unternehmen arbeiten. Wobei die Dinge, glaube ich, zusammen hängen. Also die starke Bindung der Leute an das Unternehmen führt vielleicht auch dazu, dass man weniger das Bedürfnis hat, seinen Arbeitgeber über den Tisch zu ziehen. Also irgendwann, wenn ich mich irgendwann dabei ertappe, dass ich die Büromaterialien bei eBay versteigere, dann habe ich vielleicht schon intern irgendwie gekündigt. Dann ist vielleicht schon das Kind sehr viel länger in den Brunnen gefallen. Und das ist, weiß ich nicht. Wenn ich mit den Leuten Vereinbarungen oder wenn wir das müssten, wir mit den Leuten Vereinbarungen abschließen müssten, wo drin steht, wie viel Euro sie maximal privat mit dem Telefon im Monat telefonieren dürfen. Das – weiß ich nicht – käme bei uns komisch vor.
Till Schulte-Coerne: Zur Erklärung: bei uns läuft es üblicherweise so, dass wenn jemand eingestellt wird, er mehr oder weniger gefragt wird, ob sein privater Handyvertrag nicht auf die Firma übergehen soll.
Stefan Tilkov: Ja, das ist so der normale Weg.
Till Schulte-Coerne: So war es zumindest vor fünf Jahren bei mir.
Stefan Tilkov: Wir haben ja schon gesagt, wir sind schlecht im Marketing. Normalerweise müssten wir jetzt darüber reden, wie wahnsinnig toll und großmütig und großzügig das von uns ist. Aber letztendlich ist es aber…
Till Schulte-Coerne: Ne, das ist purer Eigennutz.
Stefan Tilkov: Eigennutz vielleicht, klar. Das macht das Leben für alle Beteiligten einfacher und ist so eine Sache. Wobei mich das noch zu einem anderen Punkt bringt, nämlich zu dieser Erreichbarkeit. Das habe ich neulich wieder gelesen irgendwie, ich glaube es gab wieder Artikel über die Erreichbarkeit, und dass wir so krank werden durch die ständige Erreichbarkeit. Auch dazu haben wir eine klare Meinung, nämlich die, dass man jeden jederzeit anrufen und jederzeit anmailen kann. Immer, egal wann. Nachts. Sonst irgendwie.
Till Schulte-Coerne: Rund um die Uhr.
Stefan Tilkov: Rund um die Uhr. Dass man das am Wochenende und nachts vielleicht aber mit dem Telefon tatsächlich nur tut, wenn es wirklich was Dringendes ist. Aber vor allem, was uns sehr sehr wichtig ist, dass jeder sein Gerät ausschalten kann, was die normalste Sache der Welt ist. Also wir würden nicht von irgendwem erwarten, dass er am Wochenende erreichbar ist und dann ist er eben nicht erreichbar, und das ist das gute Recht und das sollte unbedingt so sein. Also eine 40 Stunden Woche wird bei uns im Schnitt mit Sicherheit erreicht. Es gibt bestimmt Leute, die tendenziell eher drüber liegen. Es gibt vielleicht sogar einige, die drunter liegen, weiß ich nicht so genau. Aber wir haben keinesfalls den Ergeiz, dass die Leute jetzt 60 Stunden Wochen da vor sich hin prügeln und ihre Wochenenden im Büro oder zu Hause am Rechner verbringen.
Till Schulte-Coerne: Das heißt, Controlling ist bei uns was, üblicherweise?
Stefan Tilkov: Du meinst Stunden-Controlling?
Till Schulte-Coerne: Ja, irgendwie sowas. Was passiert da?
Stefan Tilkov: Also eigentlich gibt es keins. Was es gibt ist die – du machst das schön mit den rhetorischen Fragen eigentlich. Weißt du, da ist alles gut und das kam recht glaubwürdig rüber.
Also es gibt keine Kalkulation, in der geguckt wird, wie viele Stunden welcher Mitarbeiter in welchem Monat gearbeitet hat. Achso, das ist noch ein schönes Beispiel, für etwas, was neue Kolleginnen/Kollegen häufig ein bisschen überrascht. Es gibt kein Urlaubskonto bei uns. Also es gibt niemanden, der nachhält, wie viel Tage Urlaub man im Jahr genommen hat, außer dem Mitarbeiter selbst, der der einzige ist, den es interessiert, denn wer will das schon wissen. Er nimmt seinen Urlaub dann hoffentlich auch korrekterweise, aber es gibt niemanden, der das großartig überprüfen würde. Das ist ein ähnliches Ding wieder mit der Frage nach Vertrauen und ähnlichem. Habe ich noch nicht so erlebt. Ich habe es schon mal gegenteilig erlebt, dass man jemanden daran erinnern musste “Sag mal, hast du eigentlich Urlaub genommen, letztes Jahr?”, was nicht in unserem Sinne ist. Also nicht missverstehen, es ist nicht, dass wir das wollten und es irgendwie hinbekommen wollten, dass die Leute wenig Urlaub nehmen. Überhaupt nicht, wir wollen, dass alle ein gesundes Leben noch haben, neben der ganzen IT.
Eine andere Sache, die uns wahnsinnig wichtig ist – du hast es grad mit dem Vorträgen schon ein bisschen erwähnt – dass man nach Außen geht und von den Dingen erzählt, die man so treibt. D.h., wir ermutigen jeden, wann immer es geht, Artikel zu schreiben, an Podcasts teilzunehmen, Vorträge zu halten, Bücher zu produzieren. Geben jede Unterstützung, die man irgendwie geben kann. Das ist manchmal Arbeitszeit und manchmal einfach nur ein bisschen Auszeit, vielleicht ein bisschen weniger stressiges Projekt. Hilfe bei den Artikeln, Hilfe bei der Zusammenarbeit mit Redaktionen, was auch immer. Wir versuchen, das so einfach wie möglich zu machen. Geht auch wieder in Richtung dieses inhaltbezogenen Marketings. Wir haben einfach im Laufe der Zeit festgestellt, dass wir unglaublich schlecht sind in der Art Marketing, die das ein bisschen aus Textbausteinen zusammen baut. Immer wenn wir das machen, immer wenn wir das Marketing machen, von dem wir glauben, wie man es eigentlich machen müsste, wie der andere das wohl macht, dann kommt Murks dabei raus. Dann haben wir irgendwann die Erkenntnis…
Till Schulte-Coerne: Wir nehmen lieber Podcasts auf.
Stefan Tilkov: Genau. Da haben wir die Erkenntnis daraus geschlossen, wir machen lieber ein paar Podcasts, schreiben lieber noch ein paar Artikel extra, was ja auch in aller Unbescheidenheit gut funktioniert. Wir sind ein erfolgreiches Unternehmen und sind profitabel und alles ist gut. Wir würden vielleicht unsere Marketing-Strategie ändern müssen, wenn wir das Ziel hätten, innerhalb von zwei Jahren unsere Größe zu verfünffachen oder zu verzehnfachen. Aber solche Ziele gibt es bei uns nicht.
Till Schulte-Coerne: Was ist da unser Ziel?
Stefan Tilkov: Wir haben da kein klares Ziel. Wir wachsen organisch. Wir wollen immer ein bisschen wachsen, das gehört dazu.
Till Schulte-Coerne: Haben wir ein X-Hire-Header? Oder ist der mittlerweile weg?
Stefan Tilkov: Wir haben einen X-Hire-Header, ja. Habe ich irgendwann vor langer Zeit mal eingebaut, als ich das das erste Mal irgendwo gelesen habe. Immerhin kann ich auch sagen, ich habe die Idee recht früh geklaut.
Till Schulte-Coerne: Sehr gut.
Stefan Tilkov: Und ich habe das Root-Passwort noch.
Till Schulte-Coerne: Ja, ich weiß es ja eigentlich selber relativ aus der Praxis jetzt seit fünf Jahren, aber trotzdem vielleicht mal für unsere Zuhörer: wie sehen bei uns so die Organisationsstrukturen aus? Ich mein, ich kann es versuchen zu beschreiben, aber vielleicht ist es sinnvoller, wenn das jemand sagt, der sich etwas dabei gedacht hat. Ich kann ja nur beurteilen, wie es tatsächlich ist.
Stefan Tilkov: Also es ist sehr unkompliziert. Das ist halt ein Vorteil der begrenzten Größe, die wir im Moment zumindest haben. Wir haben eine Geschäftsleitung. Ich spreche jetzt erstmal nur für Deutschland. In Deutschland gibt es eine Geschäftsleitung, die besteht aus zwei Personen, dem Phillip Ghadir und mir. Und das ist eigentlich die einzige Hierarchie. Also Geschäftsleitung ist eine klare Hierarchie-Stufe, offensichtlich. Das sind die, die im Zweifelsfalle den Mietvertrag für das Gebäude kündigen können oder so. Das ist also die Hierarchie-Stufe. Davon abgesehen gibt es eigentlich nichts. Es gibt Projektorganisationen, die sind aber sehr sehr unterschiedlich und auch immer sehr wild und anders zusammengesetzt. Dann gibt es mal einen Projektleiter vom Kunden, dann einen Projektleiter intern. Da kann der eine Kollege im einen Projekt an diese Kollegin berichten, die im nächsten Projekt Entwicklerin ist. Wie auch immer. Das kann also wild durcheinander gehen. Da gibt es also eigentlich nichts, das spürt man glaube ich auch im allgemeinen Umgang. Es gibt also kein Taschentragen oder ähnliches, es gibt keinerlei Karriereleiter, die man erklimmen kann. Schau nicht so erstaunt, dass es kein Taschentragen gibt, hast du das schon mal gesehen?
Till Schulte-Coerne: Ich trage ständig irgendwelche Taschen.
Stefan Tilkov: Hoffentlich deine eigene.
Till Schulte-Coerne: Nein.
Stefan Tilkov: Das ist also so die normale Organisationsform, da gibt es eigentlich nur die entsprechenden Projektteams und Geschäftsleitung und das war’s. Wobei das – ich frage mich immer, wie lange man mir das in meinem Leben noch abkauft – also ich sage immer: “Auch die Geschäftsleitung ist sehr technisch.” Im Moment komme ich da noch durch, aber ich glaube irgendwann in den nächsten fünf bis zehn Jahren muss ich das mal ausschleichen lassen.
Ja, auf jeden Fall ist die andere Sache, die wir noch haben, ist eher eine kommerzielle Geschichte. Es gibt bei uns so eine Consulting- Einstufung, wie Consultants, Senior-Consultants und auch Principal-Consultants. Principal-Consultants hören sich zunächst wie ganz besonders gute Consultants an, die noch wichtiger, noch besser sind, also die Senior-Consultants. Das ist nicht so, sondern Senior-Consultants sind bei uns einfach – Entschuldigung – Principal-Consultants sind bei uns einfach welche, die nebenbei auch noch Vertriebsverantwortung haben. Also die machen dann halt auch noch Angebote und verhandeln mit dem Kunden, haben ein etwas anderes Gehaltsmodell. Aber wir haben durchaus Leute, die mal Principal-Consultant werden und das nachher nicht mehr machen wollen, weil sie keinen Bock mehr auf den Quatsch haben. Und insofern ist das auch ein durchlässiges System und auch die Principals sind keine, um die man herumschleimt, um befördert zu werden. Also sie haben keine Personalverantwortung oder sowas.
Till Schulte-Coerne: Es sind aber eben keine ausgebildeten Vertriebler oder so.
Stefan Tilkov: Das ist ganz wichtig, es funktioniert bei uns halt überhaupt nicht. Wir haben das vor langen Jahren mal probiert, da haben wir mal ein Unternehmen beauftragt, für uns so eine richtig schön klassiche Vertriebsdirekt- Marketingaktion zu machen. Das war wirklich außerordentlich lustig. 500 Kontakte qualifiziert und 200 hinterher telefoniert und am Ende gab es einen Telefontermin und das war dann ein Schreiner, der eine neue Software für seine Schreinerei brauchte für 500€. Also irgendwie, diese Art Vertriebskontakte funktioniert vielleicht dann, wenn man ein Produkt zu verkaufen hat. Aber wenn das Produkt sowas wie Softwarearchitekturberatung ist, dann funktioniert sowas nicht. Und wir haben sehr, sehr gute Erfahrung – also wir golfen erstaunlich schlecht, wir sind wahnsinnig schlecht darin, die entsprechende Vorstandsebene auf klassische Art und Weise zu behaken, wie das andere große Unternehmen tun. Nicht, dass wir nicht mit Vorständen reden können, können wir durchaus auch. Da ziehen wir uns einen sehr schönen Anzug an und tun unser Bestes, um das zu machen. Das funktioniert durchaus auch. Aber klassischerweise sind es eben Gespräche, bei denen es um Inhalte geht, wenn man auf uns zukommt.
Till Schulte-Coerne: Und wie funktioniert das dann mit solchen Themen drum herum? Wer schreibt dann letztenendes meine Gehaltsabrechnung und ähnliches? Also man kann doch nicht eine Bude betreiben, wo ausschließlich…
Stefan Tilkov: Oh ja. Völlig hervorragend. Das klang jetzt so, als wenn – das ist völlig richtig. Also wir haben einen äußerst guten, sehr liebevoll “Wasserkopf” genannten Bereich. Das ist ein kleiner Scherz, vielleicht kommt der gar nicht so gut an, müssen wir nochmal drüber nachdenken.
Till Schulte-Coerne: Ist schon nicht so nett.
Stefan Tilkov: Ja, aber wir meinen das sehr sehr liebevoll und wir zählen uns ja auch dazu, die Geschäftsleitung zählt sich selbst auch zum Wasserkopf. Zumindest mit den 50%, die sie nicht in irgendwelchen Projekten oder wenigstens Workshops oder Schulungen rumbringt. Das sind eben die, die erstmal primär nichts machen, was nach außen verkauft wird, die aber natürlich den Laden am laufen halten. Und wir haben ein tolles Team, das das macht. Welches sich um Gehaltsabrechnung kümmert und darum, dass die gesamte Logistik funktioniert und das eben als Service zur Verfügung stellt. Einen tollen Admin, der alles erledigt, der ich weiß nicht wie viele Kisten managed, im Moment gerade. Ich weiß auch nicht, 20 Macs hin und her und vor und zurück schickt, weil irgendwie immer wieder Beulen drin sind oder so. Also wir haben eine Menge Support – was heißt eine Menge? – wir haben eine gewisse Menge an Support außenrum. So viele sind das nicht. Mal eben durchgezählt. Wir haben drei Vollzeit, dreieinhalb, vielleicht maximal vier Personen Administration in dem Unternehmen mit über 60 Leuten. Das ist wirklich nicht viel.
Till Schulte-Coerne: Also das heißt der Rest sozusagen außenrum, was man kaufen kann, ist dann auch tendenziell dann die Überlegung, as a Service einzukaufen.
Stefan Tilkov: Genau, sowas wie…
Till Schulte-Coerne: So ein Rechtsanwalt, den würden wir nicht selbst einstellen.
Stefan Tilkov: Oder die Gehaltsabrechnung selbst. Oder die Buchhaltung oder so. Sowas wird halt alles extern gemacht und von uns beliefert sozusagen.
Till Schulte-Coerne: Und rechnet sich das? Habt ihr das mal ausgerechnet, also ob es nicht billiger wäre, jemanden einzustellen, der sich ausschließlich um solche Themen kümmert? Weil ich meine, letztenendes, wenn man sich irgendetwas extern einkauft, lässt sich das der Externe dann ja auch fürstlich bezahlen, ab und zu.
Stefan Tilkov: Ja gut, das ist eine ähnliches Diskussion, wie bei Cloud- Computing oder so. Lohnt sich das oder nicht. Schwer zu sagen. Es ist bei uns glaube ich schon so, dass wir immer mal so Peaks haben, wo sowas drin ist und dass wir stark davon profitieren, dass wir jemaden haben, der das die ganze Zeit Vollzeit macht, ohne dass das bei uns jemand Vollzeit machen könnte. Also, wenn das bei uns jemand machen würde, wäre das für denjenige oder diejenige nur ein Teilzeit, nur ein Teil der Gesamttätigkeit. Dann würdest du eben neben anderen Dingen, die du noch machst, würdest du vier Tage im Monat Gehaltsabrechnung machen oder keine Ahnung. Ehrlich gesagt, ich habe nicht die leiseste Ahnung, wie viel Arbeit es ist, Gehaltsabrechnungen… – das ist doch schön, dass ich das nicht wissen muss. Das wird sehr zuverlässig bei uns erledigt und es wird so erledigt, dass das auch die Lohnsteueraußenprüfung überlebt. Das ist schon was wert, das jemanden machen zu lassen. Mag sein, dass es ein paar Euro billiger wäre, wenn wir das nicht tun würden, ja.
Till Schulte-Coerne: Aber letztenendes spricht daraus jetzt ein gewisses Problemverständnis für eben diese Wasserkopfposition. Ist das nicht vielleicht auch etwas, was ihr aus den alten – was du ganz am Anfang erwähnt hast – das bei den alten Arbeitgebern…
Stefan Tilkov: Genau. Die Lehren aus den alten Zeiten, genau. Also eine Sache, die uns aufgefallen ist – nicht hier, erfreulicherweise nicht hier, aber in anderen Unternehmen möglicherweise, vielleicht, eventuell sogar bei dem ein oder anderen Kunden, wobei, das habe ich mir sicher nur eingebildet – ist es manchmal so, dass diese Dinge ein Eigenleben entwickeln und dass auf einmal das die Abteilung wird, die die Macht besitzt. Also Macht besitzt der, der in der Lage ist, zu kontrollieren, mit welchem Excel-Sheet welcher Antrag wo genehmigt werden muss und solche Dinge. Also sowas, dafür sind wir zu klein, dass uns sowas passiert, aber vom Grundsatz her, also da jetzt auf einmal sowas zu machen, das würden wir nicht wollen. Also das soll gar nicht drin sein. Das ist Dienstleistung, die von außen erbracht wird, und diese Dinge funktionieren erstaunlich gut. Also alle haben glaube ich einen klaren Blick drauf, womit wir unser Geld verdienen und was wir eigentlich machen.
Till Schulte-Coerne: Auf den Events werden z.B. üblicherweise die Geschäftszahlen vorgestellt, für die internen Leute.
Stefan Tilkov: Genau. Also wir haben eine Trennung zwischen Internen und Externen. Wir haben auch ein paar externe Freiberufler z.B., mit denen wir zusammen arbeiten. Oder Partnerfirmen, mit denen wir zusammen arbeiten. Das ist relativ wenig, nicht so viel, wie bei anderen. Vielleicht irgendwas zwischen 10% und 15%, die wir damit noch ausgleichen. Aber in aller Regel, wenn wir in einer internen Runden sind, dann wird beim Event, von unserem CFO werden alle Zahlen vorgestellt. Es gibt eigentlich nur ein Geheimnis bei uns, das sind die Gehälter. Die Gehälter erzählen wir nicht rum. Wir haben auch kein Problem, wenn sich die Leute untereinander die Gehälter erzählen, aber das sollte eben jeder selber entscheiden, ob das wer wissen soll oder nicht. Finde ich übrigens ganz schlimm, kennst du das von alten Arbeitgebern? Es gibt diese Klauseln in manchen Arbeitsverträgen, dass man auf gar keinen Fall mit irgendjemandem über sein Gehalt sprechen darf. Finde ich – ich weiß gar nicht, wie man das da rein schreibt, ohne zu merken, wie daneben das ist, dass man das da gerade hin geschrieben hat. Wenn das so schlimm ist, dann ist glaube ich irgendwas anderes strukturell faul. Also damit gehen wir sehr offen rum, müssen ein paar Regeln, was Datenschutz und ähnliche Dinge angeht, halt einhalten. Das Leben hat Härten. Aber wir versuchen das – es ist bei uns sehr transparent, zumindest jeder weiß, was für seine Dienstleistung in Rechnung gestellt wird, mit welchem Satz und wie lange, über welchen Zeitraum. Das müssen wir intern offen kommunizieren können gegenüber den Leuten, die diese Leistung erbringen, weil das einfach dazu gehört. Jeder soll wissen, wie das funktioniert, wie einfach abgerechnet wird.
Till Schulte-Coerne: Ja, leider kann man nicht an dem Podcast erkennen, wie viele Leute das jetzt durchgehalten haben. Ich hoffe, dass trotzdem für einige noch ein paar vielleicht Anregungen dabei waren. Vielleicht will sich jemand bewerben, ich weiß es nicht. Jedenfalls vielen Dank erstmal.
Stefan Tilkov: Sehr gerne.
Till Schulte-Coerne: Hast du sonst noch letzte Worte? Möchtest du vielleicht noch andere Leute auffordern, es dir nach zu tun?
Stefan Tilkov: Mir ist noch wichtig, es ist nicht meine Show hier, sondern wir sind ein ganzer Haufen von Leuten, die das hier gemeinsam gestalten. Die Egozentrik finde ich immer ganz gruselig, wenn sich da jemand überhöht. Finde ich voll daneben. Die gemeinsame Sache, die wir hier aufgebaut haben, ist deswegen so geworden – glaube ich –, weil wir sehr früh gesagt haben, dass wir einfach als großen Grundsatz keine beknackten Regeln wollen. Wenn jemand eine beknackte Regel findet, dann soll er drauf hinweisen und dann wird die abgeschafft.
Till Schulte-Coerne: Das stand sogar schon auf unserer Landing Page neulich. Ich weiß nicht, ob es immernoch drauf steht.
Stefan Tilkov: Weiß ich auch nicht genau. Das ist doch totaler Unsinn.
Till Schulte-Coerne: Wenn etwas bescheuert ist, tun wir es nicht.
Stefan Tilkov: Ja genau. Das ist, finde ich eigentlich, ein gutes Mantra. Schöne letzte Worte.
Till Schulte-Coerne: Vom Interviewer. Ja, vielen Dank Stefan.
Stefan Tilkov: Danke dir Till.