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TL;DR
Die Challenge
Die Digitalisierung der Grundbuchverwaltung in der Schweiz stand vor rechtlichen, strukturellen und kooperativen Herausforderungen.
Unser Lösungsansatz
INNOQ unterstützte die Entwicklung von Terravis, einer Plattform, die den digitalen Zugriff auf Grundbuchdaten und die voll digitale Abwicklung im Immobilienbereich ermöglicht.
Das Ergebnis
Eine innovative Lösung, die den Grundbuchverkehr effizienter gestaltet und die Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und privaten Akteuren optimiert.
Bei Terravis ging es darum, den Zugriff auf Grundbuchdaten und die Prozesse in der Schweiz zu digitalisieren. Zunächst nur als Auskunft: Alle Beteiligten am Immobiliengeschäft sollten digital Daten von den Grundbuchämtern auslesen können, statt wie bisher auf Papier zurückzugreifen. Betrachtet man beispielsweise die Börse und wie einfach dort digital Geschäfte abgewickelt werden können, schien die papierbasierte Bürokratie im Immobilienbereich nicht mehr zeitgemäß.
Doch was so einfach klingt, bringt in der Praxis einige Herausforderungen mit sich: allen voran die unterschiedliche Prozessabwicklung in 26 unabhängigen Kantonen. Deshalb hat sich der Weg auch bisweilen als steinig erwiesen. Das Positive daran aber war, dass in dieser Zeit zahlreiche Nebenentwicklungen und Ideen entstanden.
Enge Zusammenarbeit mit INNOQ
INNOQ kam mit an Bord, als es nicht mehr nur um die digitale Auskunft, sondern um die volldigitale Abwicklung des Geschäftsverkehrs im Immobilienbereich (elektronischer Geschäftsverkehr Terravis = eGVT) ging: domänenübergreifend, end-to-end. Grundbuch, Notariat und Finanzinstitut sollten in Zukunft mit Terravis auf Papier verzichten.
In enger Zusammenarbeit zwischen INNOQ und SIX Terravis entstanden die technischen Grundlagen: Eine Engine musste her. Dabei sollte das System überschaubar und wartbar bleiben – entsprechend einer Prozessengine vom Markt. INNOQ führte eine Produktevaluation durch und übernahm schließlich die Entwicklung des Backends. Ergebnis: Der Prozess läuft nun volldigital, mit Ausnahme der Unterschrift des Kunden beim Notar, die nach wie vor „analog“ erfolgen muss.
Die Zusammenarbeit mit INNOQ ist sehr eng und partnerschaftlich. Besonders schön ist, dass ein Austausch nicht nur auf technischer, sondern auch auf fachlicher Ebene stattfindet – wir bilden als Team eine Einheit.
Walter BerliStellvertretender Geschäftsführer, Projekt-Manager Terravis und SIX Nominee
Im dritten Schritt kam mit „Nominee“ die treuhänderische Verwaltung von Registerschuldbriefen hinzu – hier wird die SIX SIS AG als Gläubigerin im Grundbuch eingetragen. Dieses Verfahren ist sowohl technisch als auch administrativ recht komplex. INNOQ war bei der Konzeption der technischen Architektur im Lead. Das ist das Schöne an einer engen Zusammenarbeit: Auftraggeber und Dienstleister wachsen zusammen und alle Beteiligten lernen voneinander.
innoQ Schweiz GmbH hat die komplette Architektur des elektronischen Geschäftsverkehrs, die Architektur der treu-händischen Verwaltung der Registerschuldbriefe und in Zusammenarbeit mit SIX Terravis die Umsetzungen realisiert, zudem wird der laufende Betrieb sowie Support sichergestellt.
Bei der Architekturwahl wurde auf ein Business Process Management System gesetzt, um die teilweise langläufigen Prozesse des elektronischen Geschäftsverkehrs optimal zu unterstützen. Im Verlauf der Entwicklung wurden alle benötigten Services in Docker-Containern betrieben. Die den Teilnehmern zur Verfügung gestellte Applikation basiert ebenfalls auf einem BPMS sowie auf einem SIX Terravis-internen Java-Framework.
- Business Process Management
- BPMS
- BPM
- ActiveVOS
- Java
- Docker
Hürden für die volldigitalisierte Verwaltung
Die Komplexität von Terravis zeigt aber auch die speziellen Herausforderungen in der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung, gerade in Bezug auf das Zusammenspiel zwischen Verwaltung und privatwirtschaftlichen Unternehmen: Beispielsweise musste eine Gesetzesänderung dafür sorgen, dass SIX Terravis als privatwirtschaftliches Institut entsprechende Aufgaben wahrnehmen kann. Hierfür war Lobbyarbeit nötig und neben den technischen Aspekten mussten die Interessen der Beteiligten – Kantone, Bund, Banken, Notare und weitere – berücksichtigt werden. Deshalb war das gewählte Modell der Public-private Partnership sicher der vielversprechendste Lösungsansatz.
Als Erfolgsrezept für SIX Terravis hat sich dabei der ausführliche Dialog bewährt: Die Projektverantwortlichen sind von Kanton zu Kanton gefahren, haben mit den Beteiligten gesprochen, Feedback eingeholt, Zweifel ernst genommen. So konnte Vertrauen entstehen, Ängste konnten zerstreut und das Produkt verbessert und enger am Bedarf ausgerichtet werden.
Ein großer Vorteil ist, dass wir zu SIX gehören: Die SIX betreibt in der Schweiz die Börse und deren Abwicklung, kümmert sich um das Zahlungssystem der Schweizerischen Nationalbank, alle Kartengeschäfte und so weiter. Deshalb ist das Thema bei SIX super aufgehoben. Zum Beispiel sind die Proxy-Server sehr sicher und werden hervorragend administriert. Mindestens einmal im Jahr findet ein Penetration-Test statt, also der gezielte Versuch, in unsere Systeme einzudringen. Den Test haben wir bisher immer bestanden. Auch haben wir ein sehr gutes Security- und Rechte-Modell integriert, das mit den Kantonen abgestimmt ist. All diese Faktoren haben uns in der Überzeugungsarbeit sehr geholfen.
Alle Welt scheint heute von Blockchains zu reden. Wie stehen Sie zu deren Einsatz im Grundbuchwesen?
Wir beobachten, dass Länder mit weniger stabilen Verhältnissen auf die Blockchain-Technologie im Grundbuchwesen setzen. In Ländern wie der Schweiz sehe ich dagegen kaum Vorteile. Außerdem geht es darum, Schritt für Schritt voranzukommen. Die öffentliche Verwaltung muss ja erst einmal sicherstellen, dass es keine Probleme gibt. Zu einschneidende technische Veränderungen sind hier nicht immer sinnvoll.
Stichwort Überzeugung: Wie haben Sie es geschafft, neue Ansätze und Technologien in die Verwaltung einzubringen?
Entscheidend war, dass wir das Gespräch gesucht haben. Wir sind in jede Ecke der Schweiz gefahren, haben uns mit Leuten zusammengesetzt, uns unterhalten. Wir haben mit den Kantonen zusammen eine Gesellschaft gegründet und so eine Struktur für die Weiterentwicklung geschaffen, an der alle Stakeholder beteiligt sind. Das hilft, gemeinsame Wege finden. Letztlich ist Terravis ein positives Beispiel dafür, dass die digitale Verwaltung gelingen kann, wenn man miteinander redet.
Herr Berli, wir bedanken uns für das Gespräch!
Letztlich hat der Erfolg von Digitalisierungsprojekten immer mit der menschlichen Ebene zu tun: Man braucht Verbündete in Verwaltung und Wirtschaft – Menschen, die mit Enthusiasmus ein Projekt verfolgen und deshalb auch die unvermeidlichen Hindernisse überwinden können, seien es rechtliche, sicherheitstechnische oder wirtschaftliche. Genau das war hier der Fall und so sind wir stolz darauf, einen Beitrag zur Digitalisierung der Schweizer Verwaltung geleistet zu haben.
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