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- Teil 1: Gebäude, Zweck, Ästhetik (dieser Artikel)
- Teil 2: Begriffe
- Teil 3: Aufgaben und Tätigkeiten
- Teil 4: Wer macht was?
- Teil 5: Wie geht es weiter?
Architektur: ἀρχιτέκτων
Das Wort Architektur stammt aus der griechischen Sprache: ἀρχιτέκτων (arkhitekton), und bedeutet bezeichnet im
die handwerkliche Beschäftigung und ästhetische Auseinandersetzung des Menschen mit dem gebauten Raum. Planvolles Entwerfen, Gestalten und Konstruieren von Bauwerken sind zentrale Inhalte der Architektur nach Wikipedia: Architektur.
Die Architektur von Gebäuden orientiert sich häufig an deren Zweck - in der Software sagen wir Anforderungen dazu. Wohngebäude, für eine oder mehrere Familien? Büro- oder Verwaltungsgebäude? Museum, Musik- oder Sporthalle?
Gleicher Zweck, verschiedene Architekturen
In Abbildung 1 finden Sie drei verschiedene Wohngebäude. Trotz des identischen Zwecks (Wohnraum für eine Familie) sehen sie komplett unterschiedlich aus.
Entgegen der Mathematik oder Physik ist Architektur keine exakte Wissenschaft. Zu Architektur gehören situationsbedingte Entscheidungen, und eine gehörige Portion persönlicher Geschmack.
Die drei Häuser in der obigen Abbildung stehen an unterschiedlichen Orten, mit unterschiedlichen Gegebenheiten hinsichtlich Geografie, Wetter und Umgebung:
- Das norwegische Haus links steht auf Stelzen, weil der Wasserspiegel des benachbarten Sees stark variiert.
- Das mittlere Haus steht in einer kleinen Stadt in Bayern. Es besteht aus einem Skelett aus Holz - dem sogenannten Fachwerk. Im Mittelalter war das der bevorzugte Stil für Wohn- und Geschäftshäuser, weil reine Steinbauten zu teuer und aufwändig waren.
- Das Dach des rechten Hauses aus den steht in den Schweizer Bergen, und muss im Winter erhebliche Schneelasten aushalten. Ein Erdgeschoss aus Stein ist mit einer zweiten Etage aus Holz aufgestockt.
Sie erkennen individuelle und situative Entscheidungen. Aber die Bandbreite kann noch weiter reichen. Wenn Geld (aka Budget) eine kleinere Rolle spielt, kann ein Wohnhaus auch so aussehen wie die schicke Villa aus Abbildung 2.
In anderen Typen von Gebäuden finden wir ebenfalls große Unterschiede in Material und Gestaltung. Betrachten wir zwei Krankenhäuser in Abbildung 3.
Das Aachener Klinikum (linkes Bild) erinnert mich persönlich eher an eine Industrieanlage oder ein Kraftwerk. Das rechte Gebäude ist das Lou Ruvo Center for Brain Health.
Lassen Sie mich noch ein weiteres Beispiel für unterschiedliche Architekturen für identische Zwecke geben: Abbildung 4 zeigt zwei Kathedralen - also religiöse Gebäude (in diesem Falle sogar für praktisch identische Glaubensrichtungen, beide gehören zur christlichen Kirche)
Die Kathedrale auf der rechten Seite ist auf Erdbebensicherheit optimiert - erfüllt also eine besondere Qualitätsanforderung. Dazu schreibt der U.S. Geological Survey:
A cathedral in the central square of Chillán, Chile replaces the ancient cathedral that collapsed during the strong earthquake of 1939. This modern structure was constructed with earthquake resistance as the primary consideration. The only damage caused by the M 8.8 earthquake on Feb. 27, 2010 was broken windows.
In einigen Gegenden der Welt gibt es (praktisch) niemals Erdbeben, daher spielt diese Art der Anforderung nur in manchen Gebäuden eine Rolle. Dort allerdings eine extrem große, und fordert der Architektur eine Reihe schwieriger Kunstgriffe und Techniken ab (Details finden Sie zum Beispiel hier).
Form, Statik und Fundament
Zur Architektur von Gebäuden gehört die äußere Erscheinung, also Form, Größe/Höhe, sowie das Material der Fassade.
Allerdings gehört neben diesen “äußeren Werten” noch einiges mehr dazu. Zuerst mal die Statik, die für Stabilität des gesamten Gebäudes sorgt:
Baustatik, oder die Statik der Baukonstruktion, die Lehre von der Sicherheit und Zuverlässigkeit von Tragwerken im Bauwesen.
nach: Wikipedia/Baustatik
Wesentlich für Statik sind Auswahl und Einsatz der Baumaterialien für die tragenden Wände und Decken. Besondere Beachtung dabei verdient das Fundament: Dazu müssen die verantwortlichen Architekt:innen einiges über die Beschaffenheit von Grund und Boden sowie der umliegenden Landschaft wissen.
Die Erklärung, wie mit bautechnischer Finesse und riesigem Aufwand das Fundament des Burj Kalifa, eines der höchsten Gebäude der Welt, im lockeren Wüstensand von Dubai geschaffen wurde, hat mich persönlich sehr beeindruckt.
Räume - das Komponentenmodell von Gebäuden
Ein zentrales Dokument der Gebäudearchitektur stellt der Grundriss dar, siehe Abbildung 5. Der dokumentiert die innere Struktur eines Gebäudes, genau genommen einer Etage davon.
Nebenbei zeigt der Grundriss auch die Position und Dimensionierung von Fenstern und Türen im Allgemeinen, Ein- und Ausgängen im Speziellen. Dies können Sie mit den Schnittstellen in IT Systemen vergleichen.
In diesen Teil der Architektur spielen noch einige weitere Aspekte herein:
- Positionierung und Gestaltung von Treppen, oder Aufzügen
- Heizungs- und/oder Kühlungssystem, sowie Lüftung, um angemessenes Raumklima sicherzustellen
- Geräuschdämmung
- Brandschutzmaßnahmen
Externe Schnittstellen…
Viele Gebäude benötigen eine Anbindung an externe Systeme:
- Trinkwasser- und Energieversorgung
- Abwassersysteme.
- Kommunikationssysteme wie Internet oder Telefon
und noch mehr…
- Berücksichtigung gesetzlicher Vorgaben, etwa zu Brandschutz, Fluchtwegen, maximalen Traglasten
- Berücksichtigung sonstiger Qualitätsanforderungen, wie Erdbebensicherheit, Wasserbeständigkeit, Widerstandsfähigkeit gegen Einbruch, Vandalismus, gravierende Wetterereignisse, besonders hohe oder niedrige Außentemperaturen o.Ä.
- Berücksichtigung von Budgetvorgaben
Breites Spektrum an Themen
Ein ganz ordentlich breites Spektrum an Themen, das unsere Namensgeber:innen aus der Bau- und Immobilienbranche zu entwerfen, entscheiden und umzusetzen haben. Einiges davon besitzt Entsprechungen in der Software- oder IT-Architektur, darum geht es in der nächsten Folge dieser Mini-Serie.
Bildnachweise und andere Quellen
Teil 2 - Begriffe
Hier geht es zum zweiten Teil der Mini-Serie.
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