Zur Frage, was Geld ist, haben sich viele große Denker:innen im Laufe der Jahre geäußert. Im Rahmen des Crypto-Hypes kamen etliche Diskussionen über die Charakteristik von Geld wieder auf, die bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts geführt wurden. Eng verknüpft mit der Frage um die Natur des Geldes ist die Frage des Geldmonopols: Wer darf Geld herausgeben? Wer darf festlegen, welches Geld anerkannt wird?

Diese Fragen sind in der Fachliteratur ausreichend diskutiert und sind auch für Laien hervorragend aufbereitet nachvollziehbar. Daher sollen hier nicht noch einmal alle Fragen gestellt und beantwortet werden, sondern der Fokus auf die Ideen und – zum größten Teil falschen – Postulate aus dem Kontext der Crypto-Technologien und ihren Zusammenhang mit der Gesellschaft liegen.

Innere Werte und bankrotte Staaten

Eine immer wiederkehrende These zum Geld ist, dass dieses einen intrinsischen Wert hätte. Häufig wird versucht, diesen durch den Wert von Edelmetallen – allen voran Gold – zu begründen. Die Idee des intrinsischen Wertes hat nicht zuletzt Marx plausibel widerlegt. Geld ist ein Kommunikationsmittel, mit dem man abstrakt Werte von Dingen ausdrücken kann. Folgt man stark vereinfachend Marx, ist dieser Wert immer die Arbeitsleistung, die von Menschen erbracht wurde, um das Ding zu er-zeugen. Geld macht diese Werte besprechbar, ist also ein Kommunikationsartefakt.

Die Legende des intrinsischen Wertes von Geld wurde zur Zeit des Goldstandards gesponnen und klingt auf den ersten Blick auch einleuchtend: Geld, das durch Gold gedeckt ist, ist immer so viel Wert wie eben jenes Gold. Und das ließe sich naiv sogar mit Marx als kompatibel diskutieren, denn Gold wird auch durch die Arbeitsleistung von Menschen verfügbar gemacht. Dabei ist die Tatsache, dass die-ses gelb glänzende Metall als Geld verwendet wurde, historisch eher mit den chemischen Eigenschaften von Gold als mit einem intrinsischen Wert zu begründet: Andere Metalle benötigte man für andere Zwecke und Gold war nahezu unverwüstlich. Diese historische Entwicklung führte Ende des 19. Jahrhunderts zum Goldstandard, dem ersten international geregeltem Währungssystem.

Auch wenn der Begriff Goldstandard heute für etwas qualitativ sehr hochwertiges benutzt wird, war dieses Währungssystem alles andere als stabil. Es gab in der Zeit des Goldstandards doppelt so viele Bankenkrisen in den teilnehmenden Ländern wie in der Zeit seit dem Ende des Bretton-Woods-Abkommens zu Beginn der 1970er Jahre.

Einige Crypto-Währungen, allen voran Bitcoin, verfolgen die Idee, in ihrer Währung einen intrinsischen Wert entstehen zu lassen. Bei Bitcoin soll dieser durch den Rechenaufwand des Minings entstehen – hier wird nicht umsonst eine Begriffswelt bemüht, die an die Goldgräberzeiten erinnert, auch wenn die Goldgräberstimmung in diesem Bereich mittlerweile vorbei ist. Problematisch an der Idee des intrinsischen Wertes und der Bindung an Gold war die Limitierung von dessen Verfügbarkeit. Es gibt nur eine begrenzte Menge Gold auf der Welt und der Abbau hat sich seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bei weitem nicht so schnell entwickelt wie das Wachstum der globalen Wirtschaftsleistung. Diese Begrenzung war häufig auch die Ursache für Bankenkrisen, die in aller Regel darauf basierten, dass entweder zu wenig Geld für die Nachfrage da war oder – und das war häufiger der Fall – das Geld war nur zum Teil durch Gold gedeckt, um die Nachfrage zu befriedigen.

Alles in allem basiert das kapitalistische Wirtschaftssystem darauf, dass Geld als Kommunikationsmittel in unbegrenzter Menge zur Verfügung steht: Geld zu begrenzen ist in etwa so sinnvoll wie die Menge der Worte, die pro Tag in einer Gesellschaft gesprochen werden dürften zu begrenzen. Die Idee, Crypto-Währungen an einem gescheiterten Geldsystem wie dem Goldstandard zu orientieren, zeigt somit primär Unwissenheit über die historische Entwicklung. Die Crypo-Währungen funktionieren in diesem Schema genau so lange, wie sie konvertierbar in Euro oder Dollar sind.

Monopole und Geldschöpfung

Die zweite, häufig zitierte These aus dem Kontext der Crypto-Währungen ist die, dass in unserer Welt Staaten die Monopole auf Geldschöpfung hätten – gerne zitiert als „Staaten drucken Geld“. Nichts könnte ferner von der Realität sein, als diese These. Zwar legen Staaten fest, welche Währung sie als gültig anerkennen, die Geldschöpfung findet aber seit Jahrzehnten vollständig dezentral bei den Geschäftsbanken. Der Vorgang wird als Giralgeldschöpfung bezeichnet und ist in der Praxis relativ kompliziert.

Der Staat legt nurmehr fest, in welchen Währungen er die Leistungen, die er in Anspruch nimmt, bezahlen wird, und in welchen Währungen der Steuerzahlungen akzeptiert. Die Entkopplung von Politik und Geld ist damit schon sehr weit fortgeschritten. Dass eine weitere Entkopplung, wie sie z.T. von den Verfechtern von Privatgeld, Regionalwährungen, den Crypto-Währungen oder gar den Anarchokapitalisten der Free Banking-Bewegung gefordert wird, führt im besten Fall nur dazu, dass Geldverkehr teuer wird, weil es bei jeder Transaktion zwischen den Währungen Vermittler bedarf.

Kritisch zu sehen ist an der Abschaffung der staatlichen Monopole auch die Absicherung der Handlungsfähigkeit von Staaten. Die Krisen der letzten 20 Jahre – seien es die Eurokrise, Corona oder die gestiegene Inflation durch Ukraine-Krieg – haben gezeigt, wie wichtig es ist, dass Staaten schnell große Geldmengen verfüg-bar machen können. Werden Währungen limitiert oder durch private Institutionen herausgegeben, ist diese Art von Handlungsfähigkeit nicht gegeben und die Abwendung von Krisen wird für die Gesellschaft signifikant teurer.

Ein weiterer Aspekt des staatlichen Geldmonopols ist die demokratische Legitimation der Institutionen, die am Geldsystem teilnehmen wollen, insbesondere der Institutionen, die Geldschöpfung betreiben dürfen. Zwar lässt sich in einem demokratischen System immer über die Qualität der gesetzlichen Grundlagen diskutieren, aber die Idee, Geld zu privatisieren oder gar eine nicht institutionalisierten internationalen Community zu überlassen, erscheint nach den Krisen der letzten 20 Jahre, in denen sich die Währungen wie Euro und Dollar als robust erwiesen haben, reichlich absurd.

Die Zukunft ist digital

Das dritte häufige Argument der Crypto-Währungen ist die mangelnde Digitalisierung des Geldsystems. Das kann eigentlich nur ein Missverständnis sein. Natürlich gibt es für Euro, Dollar und andere staatlichen Währungen die klassischen Zahlungsmittel Münzen und Geldscheine. Der Anteil der täglichen digitalen Geldtransaktionen überwiegt den der analog durchgeführten, aber seit Jahren. Mit SEPA steht im Euro-Raum auch eine digitale Infrastruktur für Geldtransaktionen zur Verfügung, die reguliert, legitimiert und ausreichend sicher ist.

Auch hier gilt natürlich, dass es immer Möglichkeiten gibt, Dinge besser zu machen. Das ist aber bei einem so eng vernetzen System wie dem europäischen (ganz zu schweigen vom internationalen) Geldsystem kaum von außen machbar. Sicherlich könnte man sich entschließen, Euro-Transaktionen auch über eine Blockchain abzuwickeln – aber hier werden nur die Nachteile sichtbar, die in den letzten beiden Kolumnen betrachtet wurden. Weder in Geschwindigkeit noch in Sicherheit sind die Technologien der Crypto-Währungen einem Geldsystem wie dem Euro kombiniert mit SEPA überlegen. Dazu kommt der Faktor der staatlichen Legitimation und das Know-How aus Jahrzehnten Geldtransaktionen, die das vorhandene System robust machen.

Ein weiterer Teil des Missverständnisses beruht – wohlmeinend betrachtet – auf einer Überschätzung der Technikaffinität der meisten Menschen durch die Verfechter der Crypto-Währungen. Nicht umsonst haben sich im Umfeld von Bitcoin & Co. sehr schnell eine neue Reihe von Intermediären gebildet, die die Rolle der Banken einnehmen und die Komplexität der Technologie hinter ähnlichen Oberflächen verstecken, wie sie von den Geschäftsbanken bekannt sind. Und dabei werden alle Fehler wiederholt, die die existierenden Geschäftsbanken in den letzten 200 Jahren bereits gemacht haben.

Fazit & Literaturverweise

Crypto-Währungen sind sicherlich in einigen Kontexten ein nützliches Medium – solange sie konvertierbar in reale Währungen bleiben. Als eigenständige Währungen werden sie absehbar nicht in Frage kommen – ganz zu schweigen von der Ablösung der existierenden staatlichen Währungen.

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